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Gefangene des Feuers

Titel: Gefangene des Feuers
Autoren: Linda Howard
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und nahm ihre Tasche. „Ich komme morgen wieder vorbei, um nach dir zu sehen.“
    Eda sah hoch. Ihr blasses Gesicht, das noch deutlich die Spuren der Erschöpfung zeigte, wurde von einem strahlenden Lächeln erhellt. „Danke, Doc! Ich und das Baby hätten es ohne Sie nicht geschafft.“
    Annie erwiderte das Lächeln. Sie konnte es kaum erwarten, nach draußen in die frische Luft zu kommen, auch wenn es kalt war. Es war schon später Nachmittag und würde in weniger als einer Stunde dunkel werden. Sie war den ganzen Tag bei Eda gewesen, ohne einen Bissen zu essen. Ihr Rücken und die Beine taten weh, und sie war müde. Trotzdem schenkte ihr die erfolgreich verlaufene Geburt ein ungeheures Gefühl der Zufriedenheit.
    Das Haus der Coueys lag am anderen Ende von Silver Mesa, genau entgegengesetzt von ihrem kleinen Zweizimmerhäuschen, für Annie sowohl Praxis als auch Wohnung. Im vorderen Raum behandelte sie die Patienten, im hinteren lebte sie. Erschöpft ging sie die einzige schlammige Straße von Silver Mesa entlang. Minenarbeiter riefen ihr ungehobelte Grüße zu; um diese Zeit rotteten sie sich immer in Silver Mesa zusammen, um sich mit Whiskey vollzuschütten und ihr schwer verdientes Geld beim Spiel und willigen Frauen wieder zu verlieren. Silver Mesa war eine aufstrebende Stadt, ohne jedes
    Gesetz oder soziale Einrichtungen, außer man zählte die fünf Saloons dazu, die in Zelten untergebracht waren. Ein paar risikofreudige Kaufleute hatten Gebäude aus grob gezimmerten Holzplanken errichtet, um ihre Waren darin zu lagern, aber hölzerne Bauwerke gab es nur wenige. Annie war froh, dass ihr eines für ihre Praxis zur Verfügung stand. Und die Einwohner von Silver Mesa waren genauso froh, überhaupt einen Arzt am Ort zu haben, selbst wenn ihr Doc eine Frau war.
    Sie war jetzt seit sechs, nein, schon seit acht Monaten hier. In ihrer Heimat Philadelphia oder Denver als Ärztin Fuß zu fassen, war ihr nicht gelungen. Niemand wollte sie konsultieren, wenn es im Umkreis von hundert Meilen einen männlichen Arzt gab - ganz egal, wie gut sie war. Das hatte sie schmerzlich lernen müssen. In Silver Mesa allerdings gab es keinen Arzt. Und trotzdem hatte es eine Weile gedauert, bis die Leute zu ihr gekommen waren. Dabei war Silver Mesa ein gefährlicher Platz zum Leben, so wie viele andere Städte auch, die zu schnell aus dem Boden gestampft worden waren. Oft genug wurden Männer angeschossen, mit einem Messer verletzt oder verprügelt. Und die unterschiedlichsten Knochenbrüche waren fast an der Tagesordnung. Das anfänglich dünne Rinnsal von Patienten hatte sich schnell in einen stetig fließenden Strom verwandelt. Inzwischen hatte Annie manchmal kaum noch Zeit, zwischendurch einmal Luft zu schnappen, weil sie von Anbruch des Tages bis zum Abend beschäftigt war. So wie heute.
    Genau das hatte sie immer gewollt, darauf hatte sie jahrelang hingearbeitet. Doch jedes Mal, wenn jemand sie „Doc“ rief oder sie jemanden „Doc Parker“ sagen hörte, wollte sie sich voller Traurigkeit nach ihrem Vater umdrehen. Aber er würde nicht da sein, nie mehr. Frederick Parker war ein wundervoller Mensch gewesen und ein wunderbarer Arzt. Schon als Kind hatte Annie ihm in kleinen Dingen helfen dürfen. Er förderte ihr Interesse an der Medizin, brachte ihr all das bei, was er konnte. Und als er mit seinem Latein am Ende war, schickte er sie auf die Schule. Während all der schweren Jahre, in denen sie sich um ihren medizinischen Titel bemüht hatte, unterstützte er sie. Damals schien niemand außer ihnen beiden überhaupt eine Frau als Ärztin zu wollen. Nicht nur, dass die männlichen Medizinstudenten sie schnitten - sie legten ihr sogar bewusst Steine in den Weg. Doch Annies Vater hatte sie gelehrt, ihren Sinn für Humor und ihre Leistungsbereitschaft nicht aufzugeben. Und er war genauso aufgeregt gewesen wie sie, als sie ihren Abschluss geschafft und einen Ort gefunden hatte, wo ein Arzt gebraucht wurde. Auch wenn sie eine Frau war.
    Annie war nicht mal einen Monat in Denver gewesen, als sie einen Brief von einem Pastor bekam, in dem er ihr voller Bedauern mitteilte, dass ihr Vater verstorben sei. Auch wenn er noch recht gesund wirkte, hatte er darüber geklagt, kein junger Mann mehr zu sein und allmählich sein Alter zu spüren. An einem friedlichen Sonntag, er hatte gerade sein Mittagessen verspeist, fasste er sich an die Brust und fiel tot um. Der Pastor glaubte nicht, dass er gelitten habe.
    Still und einsam hatte Annie um
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