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Gefangene des Feuers

Titel: Gefangene des Feuers
Autoren: Linda Howard
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ihn getrauert, denn es gab niemanden, mit dem sie hätte reden können oder der sie verstanden hätte. Als sie sich mutig hinaus in die Welt gewagt hatte und nach Philadelphia gegangen war, hatte sie immer noch seine Anwesenheit gespürt wie einen Anker, an dem sie sich festhalten könnte. Doch nach seinem Tod war sie allein ihrem Schicksal überlassen. Schriftlich hatte sie den Verkauf des Hauses geregelt und die persönlichen Besitztümer, die sie behalten wollte, im Haus einer Tante eingelagert.
    Wie gerne hätte sie ihm von Silver Mesa erzählt, wie unwirtlich, schmutzig und gleichzeitig lebendig dieser Ort war, dass es auf der schlammigen Straße von Menschen nur so wimmelte und jeden Tag ein Vermögen gemacht wurde. Er würde sie um ihre aufregende Arbeit beneiden, angefangen von Schussverletzungen über Erkältungen bis hin zu Geburten.
    Dämmerlicht senkte sich über die spätwinterliche Landschaft, als Annie ihre Haustür öffnete und die Lampe anzündete, die auf dem Tisch bei der Tür stand. Müde seufzte sie auf, stellte ihre Tasche auf dem Tisch ab und drehte ihre Schultern hin und her, um die Muskeln zu entspannen. Als sie in Silver Mesa angekommen war, hatte sie sich ein Pferd gekauft, weil sie ab und zu längere Strecken zu Patienten weit außerhalb zurücklegen musste. Sie musste nach dem Tier sehen, ehe es noch dunkler wurde. Es stand in einem kleinen, wackligen Unterstand hinter der Holzhütte, der von drei Seiten Schutz bot. Um keinen Schmutz durch ihre Hütte zu tragen, entschloss sie sich, außen herum zu ihrem Pferd zu gehen.
    Gerade als sie sich umdrehte, bewegte sich ein Schatten in der hinteren Ecke des Zimmers. Erschrocken zuckte Annie zusammen und presste die Hand gegen die Brust. Ängstlich spähte sie zu dem Schatten und nahm die Umrisse eines Mannes wahr. „Ja bitte? Kann ich Ihnen helfen?“
    „Ich möchte den Doc sprechen.“
    Sie runzelte die Stirn. Wäre er aus Silver Mesa, wüsste er, dass der Arzt schon vor ihm stand. Offensichtlich war er ein Fremder. Sie hob die Lampe hoch, um ihn besser sehen zu können. Seine Stimme klang tief und rau, kaum lauter als ein Flüstern, hatte aber den schleppenden Rhythmus der Leute aus dem Süden.
    „Ich bin Dr. Parker“, sagte sie und trat einen Schritt näher. „Wie kann ich Ihnen helfen?“
    „Sie sind eine Frau“, ließ die tiefe Stimme verlauten.
    „Ja, das bin ich.“ Sie war ihm jetzt nahe genug, um seine fiebrig leuchtenden Augen zu erkennen und den typisch stark süßlichen Geruch einer Entzündung. Der Mann lehnte in der
    Ecke, als hätte er Angst, nicht mehr hochzukommen, hätte er sich auf einen Stuhl gesetzt. Sie stellte die Lampe auf den Tisch und drehte die Flamme höher, damit das gedämpfte Licht auch in die hinteren Winkel des Raums dringen konnte. „Wo sind Sie denn verletzt?“
    „Linke Seite.“
    Sie trat auf seine rechte Seite, schob ihre Schulter unter seine Achsel und schlang den Arm um seinen Rücken, um ihm Halt zu geben. Seine Haut glühte so sehr, dass sie für einen Moment fast Angst verspürte. „Wir sollten Sie zur Untersuchungsliege bringen.“
    Er spannte sich unter ihrer Berührung an. Auch wenn sein dunkler Hut seine Miene in Schatten tauchte, spürte sie den Blick, den er ihr zuwarf. „Ich brauche keine Hilfe“, sagte er und unterstrich seine Worte damit, dass er langsam, aber mit sicherem Schritt zu der Untersuchungsliege ging.
    Annie nahm die Lampe und zündete noch eine zweite an. Dann zog sie den Vorhang zu, der die Liege von Blicken abschirmte, sollte noch ein Patient kommen, der medizinische Hilfe benötigte. Als der Mann seinen Hut abnahm, kam dichtes schwarzes Haar zum Vorschein, das nicht nur zerzaust war, sondern dringend einmal wieder geschnitten werden musste. Dann zog er sich behutsam den schweren Mantel von den Schultern.
    Annie nahm Hut und Mantel und legte beides zur Seite, während sie den Mann eingehend musterte. Sie konnte weder Blut entdecken noch ein anderes Anzeichen, das auf eine Verletzung hinwies. Und doch war er offensichtlich krank und hatte Schmerzen. „Ziehen Sie das Hemd aus“, sagte sie. „Soll ich Ihnen helfen?“
    Unter halb geschlossenen Lidern sah er sie an, schüttelte den Kopf und knöpfte sein Hemd auf, so schnell es ihm möglich war. Dann zog er es aus seiner Hose und über den Kopf. Ein schmutziges Stück Stoff war fest um seine Hüfte gebunden, das auf der linken Seite gelbliche und rostig braune Flecken aufwies. Annie nahm eine Schere zur Hand, schnitt
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