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Gefallene Sonnen

Gefallene Sonnen

Titel: Gefallene Sonnen
Autoren: Kevin J. Anderson
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sagte Wynn so zu seinem Bruder, als sprächen sie über einen Frachtbehälter. »Wenn uns Jess doch nur gesagt hätte, was wir mit ihr machen sollen…«
    »Etwas geschieht, so viel steht fest«, erwiderte Torin.
    BeBob schlang die Arme um sich. »Wie kann sie auftauen, obwohl es hier unten so kalt ist?«
    Rlinda blickte ins Gesicht der Toten, bemerkte sanfte Züge, hohe Wangenknochen und eine noble Stirn. Seltsamerweise waren die Augen offen und starrten durchs Eis.
    Wynn sah die Neugier der beiden Gefangenen und seufzte. »Ach, Karla und Bram waren ein tolles Paar. Mein Bruder konnte manchmal ziemlich schwierig sein, aber Karla kam immer mit ihm zurecht. So sehr Bram auch klagte, es machte ihr nichts aus. Sie achtete einfach nicht auf ihn, wenn er irrational war, oder sie sorgte dafür, dass er sich albern vorkam, weil er bei allen Leuten Fehler sah, nur nicht bei sich selbst.«
    »Deshalb habe ich nie geheiratet«, sagte Torin, der dicht neben seinem Zwillingsbruder stand. »Als ich ein solches Beispiel sah, dachte ich mir, dass ich auf derartigen Ärger besser verzichte.«
    Wynn bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. »Dann hast du ihre Liebe übersehen. Mir sind ein paar Tiefen zusammen mit den Höhen lieber als ein Leben, das praktisch eine flache Linie ist, so wie deins.«
    »Daran erinnere ich dich, wenn du das nächste Mal schimpfst…«
    Das dünner gewordene Eis, in dem Karlas Körper steckte, knackte und splitterte. Die Zwillinge hörten mit ihren Neckereien auf und hielten die Luft an. Spinnwebartige Bruchlinien durchzogen das Eis und wurden breiter, wobei ein Geräusch wie von brechenden Knochen erklang. Torin rief.
    Hinter ihnen öffnete sich die Verwaltungshütte, und Andrew, ein weiterer Tamblyn-Bruder, kam heraus.
    »Sie taut auf!«, rief Wynn.
    Karlas Arme waren ausgebreitet und sonderbar gekrümmt. Einer von ihnen geriet jetzt in Bewegung, streckte sich. Das Eis knisterte, fiel brockenweise davon ab und landete in der größer werdenden Schmelzwasserlache. Die Tamblyn-Brüder staunten voller Aufregung und Furcht.
    Rlinda ergriff BeBob am Arm und zog ihn zurück. »Äh… geben wir der Dame ein wenig Bewegungsfreiheit.«
    Der Rest des Eises brach und fiel wie Hagel auf den Boden. Karla drehte den Kopf, und kleine Eissplitter lösten sich aus ihrem Haar und von der Kleidung. Ein seltsames Glühen ging von der Haut aus, und das feuchte Haar zuckte und wand sich medusenartig. Karlas Brust hob sich, und es klang wie die Kollision von Gletschern.
    Andrew hielt sich nicht damit auf, eine Thermojacke überzustreifen. Er lief über den Eisschelf und schien kaum glauben zu können, was er sah.
    Die glühende Karla hob den Fuß und machte einen Schritt. Ihre Bewegungen waren schwerfällig und ruckartig, doch die phosphoreszierende Energie in ihr schwoll an, durchdrang Kleidung, Haut und Haar.
    »Erkennst du uns, Karla?« Wynn trat versuchsweise vor. Er suchte nach etwas, hoffte auf ein Zeichen des Erkennens. »Jess hat dich hierher gebracht, ohne uns zu sagen, was wir tun sollen.«
    »Sie hat bestimmt keine Bedienungsanleitung dabei!«, sagte Caleb scharf.
    Die Frau drehte sich um, reagierte aber nicht auf die Anwesenden. Sie machte einen weiteren Schritt.
    Andrew schloss zu ihnen auf. »Sie lebt! Karla, du bist zurückgekehrt.«
    Wental-Kraft glühte in ihr, als sie weiterging. Bei jedem Schritt schimmerte Energie wie kalte Flammen aus dem Körper der Frau, und unter ihr knackte das Eis. Um sie herum stieg Dampf auf.
    Rlinda sah BeBob an. »Das gefällt mir nicht. Mir scheint das ein sehr eisiger Empfang zu sein – ein Wortspiel ist nicht beabsichtigt.«
    »Warum sagst du nichts, Karla? Erinnerst du dich nicht an uns?« Andrew trat auf sie zu und streckte die Hand nach ihr aus.
    Als seine Finger die knisternde Haut der Eisfrau berührten, schrie Andrew auf, und eine plötzliche Entladung durchzuckte seinen Körper. Karla drehte den Kopf und schleuderte ihn wie beiläufig beiseite, als wäre er nicht mehr als ein leichtes Stück Abfall. Andrew blieb auf dem Eis liegen, zuckte noch einmal und rührte sich dann nicht mehr.
    Rlinda sah sofort, dass der jüngere Mann tot war – die energetische Entladung hatte ihn umgebracht.
    Die Frau blieb stehen und drehte erneut den Kopf. Ihre Augen waren schwarz und leer. Auch weiterhin stieg um sie herum Dampf auf, wie Nebelschwaden. Karla sah, was sie getan hatte, hob die Hand und betrachtete ihre Finger. Dann blickte sie erneut auf den toten Andrew hinab, und ihre
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