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Gefaehrtin der Nacht

Titel: Gefaehrtin der Nacht
Autoren: Melissa de La Cruz
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Haut fühlte sich an wie Papier. Sie war doch nicht mehr so jung, wie sie auf den ersten Blick gewirkt hatte.
    »In diese Richtung bitte«, sagte die Frau und drehte seinen Körper zur Vorderseite des Raums. »Er sieht gern zu.«
    Oliver beobachtete, wie sich der männliche Vampir auf seinen Ellenbogen aufrichtete und lasziv lächelte, während das Mädchen bewusstlos und nackt auf dem Bett lag. Oliver zuckte nicht einmal zusammen, als ihm dämmerte, warum er hier war. Die Vampirin hatte ihn ausgewählt. Sobald sie ihre Fangzähne in seine Haut gebohrt hatte, hätte er alles, was er wollte. Er würde endlich wieder den Heiligen Kuss erleben. Sein Körper brauchte ihn, er wollte es so sehr …
    Er schloss die Augen.
    Der heiße Atem der Vampirin roch nach Zigarettenrauch. Es war, als würde man einen Aschenbecher küssen, und der stechende Geruch ließ ihn für einen Moment zu sich kommen.
    »Was auch immer du vorhast, tu es nicht. Es wird nichts bringen.«
    Er blinzelte und blickte in ein zartes, freundliches Gesicht. Wer war das? Ach ja, Freya. Sie machte sich Sorgen um ihn. Freya war so wunderschön. Viel schöner als die Vampirin auf seinem Schoß, deren Äußeres bloß eine traurige Fassade war, die ein erbärmliches Inneres verhüllte. Freya dagegen leuchtete in einem strahlenden Licht. Ihre Augen funkelten. Sie hatte ihn gebeten, es nicht zu tun.
    Aber was?
    Warum war er hier?
    Dann fiel es ihm wieder ein … das Bluthaus. Warte. Was hatte er getan? Er konnte mit dem Kummer, sie verloren zu haben, leben. Er konnte mit dem Verlust leben … Wen vermisste er? Er konnte sich nicht erinnern … Doch dann kamen all seine Erinnerungen mit einem Schlag zurück. Es war, als erwachte er. Er fühlte sich wieder lebendig. Er konnte mit dem Schmerz leben. Aber er würde sich niemals verzeihen, was er hier getan hatte. Er konnte sie nicht vergessen. Er würde es nicht. Er würde sie niemals vergessen … Skyler …
    Skyler.
    Freya.
    Skyler.
    Die Vampirin biss in seinen Hals und prallte kreischend zurück. Die Säure in seinem Blut hatte ihr schönes Gesicht entstellt. »Gift! Gift! Er ist noch gebunden!«
    Oliver rannte so schnell er nur konnte aus dem Zimmer.

3
Saubermachen
    E s war fast vier Uhr früh, als Oliver ins Holiday zurückkehrte.
    Freya stand hinter der Bar und schlug mit einem Messer gegen ein Cocktailglas. »Letzte Runde! Letzter Ausschank für alle!« Als sie Oliver sah, lächelte sie. »Du bist zurück.« Sie musterte sein Gesicht. »Du hast es nicht getan.«
    »Nein. Ich hätte es … fast getan.« Er fragte sich nicht mehr, woher sie wusste, wo er gewesen war oder was er vorgehabt hatte. »Ich konnte es nicht, weil ich an dich gedacht habe.«
    »Guter Junge.« Sie lächelte, während sie zur Abstellkammer deutete. »Komm, hilf mir beim Saubermachen. Ein bisschen mit anzupacken, wird dir guttun. Dann darfst du mich nach Hause bringen.«
    Oliver nahm einen Besen und begann, den Boden zu kehren. Er sammelte Trinkhalme und durchweichte Servietten auf, die heruntergefallen waren. Er half, den Tresen abzuwischen und Gläser abzutrocknen, die er dann ordentlich in die Wandregale stellte. Freya hatte Recht: Durch die körperliche Betätigung fühlte er sich besser.
    Die letzten Stammgäste wankten nach draußen und die beiden blieben allein zurück. Während er sich umsah, wurde ihm bewusst, dass er hier in all den Jahren nur Freya hatte arbeiten sehen. Wie konnte ein Mädchen allein den ganzen Laden schmeißen?
    Als die Bar aufgeräumt und sauber war, schlüpfte Freya in eine viel zu große grüne Armeeweste. Es war die Art von Weste, die Soldaten trugen, wenn sie an Fallschirmen über dem Dschungel absprangen, und sie bildete einen starken Kontrast zu ihrer zarten Gestalt, was ihr Erscheinungsbild aber noch bezaubernder machte.
    Freya zog sich die Kapuze über den Kopf. »Komm schon, ich wohne gleich die Straße runter.«
    Auf dem Weg zu ihrer Wohnung hielt Freya bei einem koreanischen Lebensmittelhändler an der Ecke an. Sie kaufte einen Blumenstrauß, zwei Schalen mit frischem Obst und einen Strauß Minze. Im Gegensatz zu den üblichen glanzlosen Auslagen in den Eckläden schien hier alles, was Freya berührte, förmlich zu leuchten: Die Erdbeeren wirkten rot und saftig, die Melonen glänzten intensiv orange. Die Minze duftete, als sei sie gerade erst auf einem Feld in der Provence gepflückt worden.
    Freya führte ihn zu einem schäbigen Mietshaus mit einer kaputten Haustür.
    »Die Gegend hier wird
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