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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen
Autoren: Marjorie M. Liu
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keinen Schmerz. Ich empfand nur Entschlossenheit.
    Vor uns stand Ahsen. Sie war groß, so riesig wie Oturu, mit Händen wie Mistgabeln, Zinken als Finger. Der silberfarbene Zopf lag über einer Schulter. Sie war wie eine Peitsche gebaut, mit Schlitzen statt Augen, und einem kleinen, scharfkantigen Loch statt eines Mundes. Die Illusion eines Mahati, der sich schwankend hinkauerte.
    »Komm«, flüsterte sie. »Diesmal laufe ich nicht vor dir weg, Jägerin. Wir bringen es zu Ende.«
    »Du wirst sterben«, sagte ich. Es sprach jedoch nicht nur meine Stimme. In ihr hallte ein ganzer Chor von Stimmen. »Ihr werdet alle sterben.«
    Ahsen stockte. »Der Schleier fällt, Jägerin. Du machst dir keinen Begriff von der Armee, die dahinter wartet, alles verbrennend.«
    »Sie haben keinen Begriff von mir«, fauchte ich und stürzte mich auf sie: wie eine Bombe. Obwohl mein Fleisch hätte verwundbar sein sollen, spürte ich den Aufprall nicht, ich spürte gar nichts, nicht einmal, als sie mir ihre Krallen in den Leib rammte. Meine Haut gab nicht nach.
    Ahsens Finger dagegen schon. Sie brachen - und so heulte sie. Ich griff nach ihr, packte ihr Haar, riss daran. Dek glitt meinen Arm hinab; aus seinem Maul fauchten Flammen, die seinen kantigen, silbernen Kopf umhüllten.
    Sie schimmerte, brach ihr Wort, versuchte zu entkommen, aber ich packte fester zu, spürte, wie die Macht aus mir herausströmte, den Avatar überzog, sie wie in einen Käfig bannte. Ihre Haut schrumpelte, fiel in Fetzen von ihr ab. Gier dröhnte in mir. Endlos, brutal. Ich sog sie aus.
    Es war so leicht. Wie das Atmen. Ich war erfüllt von Tod. Empfand keinerlei Mitleid, keine Gnade. Die Kreatur in mir
glitt mühelos in mein Herz und erzeugte einen vollendeten Ton. Einen klaren, vibrierenden Ton.
    Es war diese Musik, die mich zurückholte. Ich erinnerte mich an Grant. Und als ich mich an ihn erinnerte, da fiel mir auch meine Mutter wieder ein. Ich hörte ihre Stimme.
    Nichts ist so böse, dass du grausam sein musst. Hart, gewiss. Du musst töten, sicher. Aber es gibt einen Unterschied im Herzen. Das eine macht dich niederträchtig. Das andere hält dich aufrecht.
    Ahsen kreischte. Ich ließ sie los, aber es war schon zu spät. Sie packte meinen Arm, doch ihre Knochen brachen, ihre Haut löste sich vollkommen von ihren ausgetrockneten Muskelsträngen. Zee zog sie weg von mir, und im nächsten Augenblick zerfiel der Rest ihres Körpers in seinen Klauen zu Staub.
    Ich trat zurück. In diesem Moment kannte ich mich nicht. Ich fühlte nur noch Gier, konnte mich nur noch an diese einsame Bar in Wisconsin erinnern, an einen Körper, der sich unter meiner Haut wand, eine Kreatur, deren Existenz ich jetzt erneut in mir gefühlt hatte.
    Eine Kreatur, die ausbrechen wollte, ihre Freiheit begehrte. Plötzlich wusste ich sehr genau, wovor meine Mutter Angst gehabt hatte - was sie mir nicht hatte verraten können. Und was mir meine Großmutter zu erklären versucht hatte.
    Der Schleier wird schwach und ein Teil von uns auch, hörte ich meine Großmutter sagen . Mauern um unsere Herzen, die niemals einstürzen sollten.
    Bleib dir treu.
    »Wir sind fertig«, flüsterte ich. Die dunkle Kreatur in mir protestierte. Ich schob sie zurück, sanft, und diese Sanftheit schien sie zu überraschen. Die Dunkelheit stockte, wich zurück, leise, schweigend. Sie sank in die Wurzeln meines Herzens. Doch dort wartete er, der Schatten.
    Ich versuchte, das Schwert fallen zu lassen, schüttelte es, aber
es war an den Ring gebunden, und der ließ sich nicht von meinem Finger lösen. Ich dachte: Mach es, sei klein, und das Schwert blitzte einmal auf, gleißend. Als ich wieder sehen konnte, saß nur noch der Ring an meinem Finger. Aber er war größer, umschloss mehr von meinem Finger, und hatte ein merkwürdiges kleines Scharnier für mein Fingergelenk gebildet. Ich sah meine Hände an, drehte sie. Sie schmerzten. Mein Körper fühlte sich nicht wirklich an. Nichts fühlte sich so an. Ich hörte Möwen. Hupen. Die Nacht um uns herum war ruhig.
    »Was bin ich?«, hauchte ich.
    »Du bist die Jägerin«, wisperte Oturu. »Du bist die letzte deiner Art.«
    Ich starrte ihn an. Ich konnte mein Herz nicht hören, ebenso wenig wie meine Gedanken.
    »Jägerin«, wisperte Oturu. Sein Umhang umhüllte mich, ich lehnte mich hinein, konnte nicht anders. Sein Haar umfasste meine Schultern, und als der Schlund seines Leibes meine Haut berührte, obwohl es nur eine kaum messbare Dauer war, fühlte ich mich seltsam
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