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Gefaehrtin Der Daemonen

Titel: Gefaehrtin Der Daemonen
Autoren: Marjorie M. Liu
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zusah. Sucher tauchte neben mir auf, ohne Byron, und nickte kurz. Der Junge befand sich an einem sicheren Ort. Mehr konnte ich nicht verlangen. Kalte Luft wehte über mich, angereichert vom Geruch nach Blut. Es war eine schreckliche, arktische Kälte. Eine Haarsträhne liebkoste meine Schulter. Oturu stand neben mir. Ich suchte Mamablut. Sie war verschwunden, natürlich.
    »Es beginnt«, wisperte Oturu.
    »Maxine«, stieß Jack hervor. »Ich …«
    Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Ich wünschte, er hätte es geschafft. Denn mitten im Raum materialisierte gerade eine kleine Gestalt. Dunkles Haar, schwarze Augen, rosige Wangen. Rote Cowboystiefel auf dem Holzboden. Mein eigener Körper. Ein lebendes Echo meiner Kindheit.
    »Jägerin«, sagte Ahsen. »Wie bemerkenswert, dein Gesicht zu sehen.«
    Ich fühlte, wie die Sonne über den Horizont stieg. Zee und die anderen verschwanden und tauchten unmittelbar danach wieder auf, auf meiner Haut, eng anliegend, hart. Aber obwohl
die Sonne schien, drang nichts von ihrem Licht durch die Fenster des Apartments. Die Lampen flackerten.
    Die Schatten bewegten sich, reckten sich wie hungrige Mäuler durch das Zimmer, breiteten sich auf dem Boden aus und krochen in wogenden Wellen die Wände hinauf. Wie Öl, das die Wände hinauflief, oder der Abgrund in Oturus Umhang: voller flacher Gesichter und verzerrter Körper. Eine atmende, schmerzhafte Dunkelheit; ein Tsunami aus Seelenkerkern, in denen Dämonen wimmelten und sich wanden. Das Innere des Apartments wurde dunkler, presste sich zusammen, war so erstickend wie die Ödnis. Es war die Wand aus Dämonen, die das bewirkte: uns umschloss und verzehrte.
    Ahsens kleine Gestalt leuchtete in der Dunkelheit wie der Morgenstern. Ich ging durch den Raum und blieb knapp drei Meter vor ihr stehen. Dämonen breiteten sich wie verschüttetes Öl unter meinen Zehen aus. Ahsen zog einen dünnen Haarzopf aus ihrer Tasche und schlang ihn langsam um ihr kleines Handgelenk. Dann sah sie mir suchend ins Gesicht, während ich das ihre musterte, und glitt vor, überbrückte den Abstand zwischen uns. Ihre Augen glitzerten, und ihr Körper franste am Rand aus, verwandelte sich in Rauch.
    »Die hast du nicht geschaffen«, sagte ich und deutete auf die Dämonen.
    »Nein«, gab sie zu. »Aber ich habe sie versammelt. Sie konnten das Labyrinth an mir wittern, von dieser einen Berührung des Samenrings, und das genügte. Du kannst dir die Verlockung dieses Kreuzweges nicht vorstellen, Jägerin. Aber das weißt du vermutlich selbst.«
    »Vermutlich«, antwortete ich gelassen.
    Die Haut um ihren Mund spannte sich seltsam an. »Wie konntest du der Ödnis entkommen?«
    »Ich bin ihr entkommen.«

    Ihre Lider flatterten. »Nicht einmal ein Avatar konnte das schaffen.«
    Ich lächelte grimmig. »Was vielleicht bedeutet, dass ich mächtiger bin als du.«
    »Das bezweifle ich.«
    »Wirklich? Wollen wir hingehen, und es herausfinden?«
    Ihre Finger streichelten den Zopf. »Du versuchst, mich zu verführen.«
    »Ich versuche, die Wahrheit zu sagen. Und das ist viel schlimmer, habe ich recht? Es ist fast so schlimm, wie jemandes Spiegelbild zu erzeugen, wenn du ihn töten willst, richtig?« Ich schüttelte den Kopf, immer noch lächelnd. »Ich glaube, du hast Angst. Ich glaube, du hast die letzten zehntausend Jahre Angst gehabt. Ganz allein. Ein kleines Lamm unter Wölfen.«
    Ihr Körper flimmerte. Jack trat dicht neben mich, berührte meine Schulter. »Ich bin hier«, sagte er sehr leise. »Machen wir dem ein Ende.«
    Ahsen schloss die Augen, als könnte sie es nicht ertragen, ihn anzusehen. »Du hast den Luxus verwirkt, Forderungen stellen zu dürfen. Du, der du mich verurteilt hast. Du, der du mich mit unseren Feinden zusammengesperrt hast.«
    »Ich tat, was ich tun musste.«
    »Nein«, flüsterte sie. »Es gab Alternativen. Du musst gewusst haben, was du da tust. Du musst es gewusst haben. Und selbst wenn nicht, du hättest es wissen müssen. Alter Wolf, du kannst es dir nicht vorstellen. Ich war ihre Hure! Jahrtausendelang habe ich einer Armee gedient. War zu Schmutz verdammt.«
    Sie sah ihn an. Ihre schwarzen Augen glühten vor Verachtung, wirkten rau vor Entsetzen. Es war schrecklich für mich, solche Emotionen auf meinem eigenen Gesicht zu sehen, als wäre mein Körper ihren Erinnerungen ausgeliefert, als trüge mein Fleisch diese Bürde. Sie hob die Hand, an deren Gelenk
sie den Zopf aus hellem, glänzendem Haar trug. »Erinnerst du dich noch an das hier,
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