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Gefährten des Zwielichts

Titel: Gefährten des Zwielichts
Autoren: Alexander Lohmann
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Bedenke die Triumphe, die ihr Finstervölker unter meiner Führung feiern werdet!«
    »Niemals«, sagte eine raue Stimme hinter ihm.
    Gulbert fuhr hoch. Er krallte mit den Fingern nach seinem Rücken, und das Kästchen fiel polternd auf die Steinfliesen. Ein Stöhnen entrang sich den schmalen Lippen des Zauberers. Dann sank er in sich zusammen, und seine Kutte legte sich über ihn wie ein Leichentuch.
 
    Hinter dem gefallenen Zauberer wurde eine kleine Gestalt sichtbar. Unwillkürlich wich Wito einen Schritt zurück. Das Geschöpf war über und über braunschwarz und fleckig, die spärlichen Haare klebten fettig an seinem verkrusteten Kopf. Seine Kleidung wirkte starr und rissig und war von seiner schmutzstarrenden Haut kaum zu unterscheiden. Schorfige Klumpen blätterten von seinem Körper ab. Die Gestalt wirkte abgerissen, und in den Falten seines Gewands haftete ein flockiger, weißer Belag.
    Das Wesen war unzweifelhaft ein Gnom. Und er hielt ein dunkel angelaufenes Knochenmesser in der Hand, mit dem er jetzt noch einmal auf den niedergestreckten Zauberer einstach. Darnamur war aus dem Grab zurückgekehrt, um seinem Freund beizustehen!
    »Darnamur!«, stieß Wito hervor. Er streckte die Hand nach dem Gefährten aus, wich dann aber einen Schritt zurück.
    Mit einem triumphierenden Schrei trat Darnamur gegen Gulberts toten Körper. Da fiel das graue Gewand des Zauberers in sich zusammen wie eine leere Hülle. Sein langer weißer Bart verschwamm und zerschmolz zu einem fettigen Nebel. Sein Leib löste sich auf. Darnamur wich zurück, die Knochenklinge auf die Erscheinung gerichtet. Wito hatte das Gefühl, als erlebte er einen Kampf im Totenreich.
    Eine Dunstwolke kroch aus Gulberts Gewändern und sammelte sich zu einem grauen Umriss von menschenähnlicher Gestalt. Die Arme des Nebelwesens waren grotesk in die Länge gezogen, das Haupt war ganz verschwommen. Wo die Beine sein sollten, blieb der Nebel mit Gulberts Kleidung verbunden, wurzelte mit tausend dunstigen Streifen in den Falten und Fasern des Gewandes.
    Ein dunkles Loch tat sich auf am Kopf der geisterhaften Gestalt. Drohend hob sie einen Nebelarm, streckte sich dann nach dem Silberkästchen, das neben Gulberts Gewändern auf dem Boden lag. Doch ein Sog erfasste die Erscheinung. Widerstrebend neigte sie sich der offenen Tür zu. Immer länger wurde die Dunstwolke, bis sie ihre Form verlor und aussah wie eine schwere Rauchfahne. Sie löste sich von Gulberts Kutte, wurde schneller und schneller, wie von einem unmerklichen Windhauch erfasst, und verschwand draußen im Gang.
    Darnamur trat an das leere Gewand des Zauberers heran, und auch Wito kam näher. »Darnamur?«, fragte er wieder.
    Das schmutzige Gnomenwesen blickte an Wito vorbei. Es hob die Hand und sagte heiser: »Pass bloß auf den Wichtel auf!«
    Wito fuhr herum. Chaspard stand unschlüssig mitten im Raum, das Seidentuch mit Leuchmadans Herz in der Hand. Er starrte hinaus in den Gang, dahin, wo die geisterhafte Erscheinung verschwunden war.
    Wito und Chaspard tauschten einen Blick. Der Wichtel zuckte die Achseln.
    »Wag es nicht, dich zu bewegen!«, sagte Darnamur.
    Wito trat auf Chaspard zu und streckte die Hand aus.
    »Nun«, sagte Chaspard mit einem Seufzer und übergab dem Gnom das Herz. »Da mein Auftraggeber vorübergehend unpässlich ist ...«
    »Unpässlich?«, meldete Darnamur sich zu Wort. »Tot wie ein Bettvorleger, würde ich sagen!« Er stellte einen Fuß auf Gulberts Kutte.
    Wito schaute unschlüssig von dem Wichtel zu seinem Gefährten.
    Chaspard machte eine wegwerfende Handbewegung. »Unpässlich ist schon richtig«, stellte er fest. »Oder glaubt ihr, Leuchmadan und eure Nachtalben wären die Einzigen, die magische Herzen fertigen können?«
    »Scheiße«, sagte Darnamur.
    »Hast du gedacht, einer von uns Kleinen könnte einen Mächtigen töten? Gulbert wird eine Weile brauchen, bis er sich irgendwo einen neuen Leib schaffen kann. Oder bis er einen raubt. Was auch immer die Zauberer tun. Aber irgendwann wird er wieder an meine Tür klopfen, vermute ich.«
    »Das mag sein«, sagte Darnamur. »Nur dass du dann nicht zu Hause sein wirst, weil ich dich vorher ... He!«
    Das letzte Wort galt Wito, denn der ließ den Wichtel einfach stehen. Er hielt den Seidenbeutel mit Leuchmadans Herz in der vorgestreckten Hand von seinem Körper weg und ging auf die Quelle des Blutes zu.
    »Was tust du da?«, fragte Darnamur. »Willst du das Ding nicht wieder in das Kästchen legen?«
    Wito wandte sich
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