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Gefährliches Spiel der Versuchung

Gefährliches Spiel der Versuchung

Titel: Gefährliches Spiel der Versuchung
Autoren: Andrea Pickens
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irgendwie als persönliches Versagen eingestuft, obwohl seine Vorgesetzten sich mit dem Ergebnis zufrieden gezeigt hatten.
    Er war nach London entsandt worden, um ein gestohlenes Dokument wiederzubeschaffen. Die zerbrechliche Allianz zwischen Russland und England hing davon ab, das Dokument nicht in französische Hände gelangen zu lassen. Und der Zar hatte nicht darauf vertraut, dass Whitehalls Agenten sich um die Angelegenheit kümmerten.
    Vielleicht deshalb, weil sich niemand im russischen Geheimdienst selbst in seinen wildesten Träumen auch nur annähernd vorstellen konnte, welche Züge der englische Gegenangriff annehmen würde.
    Grüblerisch starrte Orlov auf den Port in seiner Hand. In der Tat, das Papier war gefunden worden - nur nicht von ihm. Gerechterweise musste er zugeben, dass er zum Erfolg des Unternehmens einen gewissen Beitrag geleistet hatte. Die beiden Verräter würden keinerlei Staatsgeheimnisse mehr über den Ärmelkanal senden. Aber trotzdem nagte der Gedanke in seinem Innern, dass er durch eine rivalisierende Operation aus dem Rennen geworfen worden war.
    Orlov fluchte unhörbar und leerte das Glas in einem Zug.
    Yussapov hatte sich selbst noch nie Zurückhaltung auferlegt. »Schau nicht so grimmig drein, dass du von einem Weib ausgebremst worden bist, tvaritsch«, bemerkte er. »Man sagt, Lord Lynsleys geflügelte Ladys seien Vögel von einzigartigem Gefieder.«
    »Das sind sie.« Sowohl er als auch der Prinz hatten erstaunt festgestellt, dass es sich bei Whitehalls vertrauenswürdigsten Agenten um eine Geheimwaffe handelte, die aus bestens ausgebildeten Kriegerinnen bestand.
    Und sie waren gut. Verdammt gut.
    Genau wie er. Trotzdem hatte er nur mit knapper Not die Peinlichkeit verhindern können, selbst in Gefangenschaft zu geraten. Jetzt, wo er hier saß, in der Botschaft in Stockholm, war es leicht, Witze zu machen; aber zu jenem Zeitpunkt war ihm nicht nach Scherzen zumute gewesen.
    Orlov griff nach dem Kosakendolch des Prinzen und bohrte die Spitze in die lederne Schreibtischunterlage. »Wie auch immer: Es wäre nur recht und billig gewesen, wenn du mir und Lord Lynsley eine Warnung hättest zukommen lassen, dass es sich um eine gemeinschaftliche Unternehmung handelt. Denn es hätte nicht viel gefehlt, dass man dem falschen Mann die Kehle durchgeschnitten hätte.«
    »Pah!« Yussapov wischte den Einwand mit einer hochmütigen Handbewegung fort. »Ende gut, alles gut. So heißt es doch bei den berühmten Dichtern, oder?«
    »Als halber Russe bin ich geneigt, die Dinge aus einem eher melancholischen Blickwinkel zu betrachten«, erwiderte Orlov trocken. »Das Gelächter geht einem leicht über die Lippen, wenn man mit einem Pelz im Armsessel sitzt. Aber die Angelegenheit gerät gefährlich nahe an eine Katastrophe, wenn niemand weiß, wer Freund und wer Feind ist. Wenn wir mit den Briten verbündet sind, sollten wir dann nicht versuchen, ein wenig enger zusammenzuarbeiten?«
    »Wir fühlen uns in dem Bündnis recht unbehaglich, Alexandr. Der Zar ist sich nicht ganz sicher, dass er dem verrückten König und seinen Ministern trauen kann.«
    »Trotzdem ist es unsinnig, nicht mit dem Geheimdienst von Whitehall zusammenzuarbeiten.« Das Licht blitzte auf dem geschliffenen Stahl. »Während wir mit gezücktem Dolch umeinanderschleichen, nutzen Napoleons Agenten die Gelegenheit zu ihrem Vorteil.«
    »Da hast du recht.« Der Prinz strich sich über den Bart. »Ich sollte die Angelegenheit vor Seiner Kaiserlichen Hoheit ansprechen.«
    Orlov fühlte sich ein wenig besser, nachdem er seine Auffassung vorgebracht hatte. Dennoch blieb er überraschend missgelaunt, bedachte man die Qualität des alten Portweins und der türkischen Zigarren. Er lehnte sich zurück, stemmte den gestiefelten Fuß auf den Tisch, stieß eine Rauchwolke aus und hoffte, damit auch zugleich seinen schwarzen Humor loszuwerden. Der Rauch hing einen Moment lang in der Luft, ein perfektes Oval vollkommener Harmonie, bevor die sanft wirbelnden Wellen sich in geisterhaften Schwaden auflösten.
    Asche zu Asche ... Welch eigentümliche Grübeleien kamen da nur über ihn? Seine slawische Neigung zur Melancholie hielt gewöhnlich die Balance mit dem eher übermütigen Wesen seines englischen Erbteils. Seine Mutter, eine lebhafte Schönheit aus Yorkshire, hatte sich als perfekter Gegensatz zum Hang seines Vaters erwiesen, sich mürrisch auf sich selbst zurückzuziehen.
    Wieder sog Orlov den beißend scharfen Tabaksqualm in den Mund. Ihm
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