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Gefährliches Spiel der Versuchung

Gefährliches Spiel der Versuchung

Titel: Gefährliches Spiel der Versuchung
Autoren: Andrea Pickens
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Schläfen ergraute Farbe wiederholte sich in seiner düsteren Kleidung. Viele Menschen hielten ihn für einen faden, ziemlich langweiligen Bürokraten. Was ihm ungemein entgegenkam.
    Sein offizieller Titel - Sekretär des Außen- und Kriegsministers - war absichtlich diffus gehalten, um über seine wahre Verantwortlichkeit hinwegzutäuschen. Er war mit Spionage und Verschwörungen betraut, beschäftigte sich mit den gefährlichsten und teuflischsten Bedrohungen der englischen Souveränität. Die Academy gehörte zu seinen ungewöhnlichsten Einfällen; der Premierminister hatte ihn anfangs für verrückt gehalten. Aber Lynsley hatte die Regierung davon überzeugt, ihm das alte Anwesen zur Verfügung zu stellen, das einst als Weideland für die Kavallerie genutzt worden war. Die Kosten für den Unterhalt zahlte er aus eigener Tasche, und Mrs. Merlin hatte ein wachsames Auge auf den Alltag.
    »Mir ist bewusst, dass Sie diese Entscheidungen sehr persönlich nehmen, Thomas. Schließlich sind Sie es gewesen, der unsere Schülerinnen aus den verwaisten Rumtreibern der Londoner Armenviertel ausgesucht hat.«
    Lynsley sog die Luft tief in die Lungen. »Bedauerlicherweise gibt es viel zu viele, aus denen ich auswählen muss.« Jedes Jahr wurden nur einige wenige in die Reihen der Schule aufgenommen. Lynsley achtete bei den Mädchen darauf, ob sie sich mutig und klug zeigten. Und auf ihr Aussehen. Schönheit war an sich selbst eine Waffe.
    »Das Leben kann sehr ungerecht sein, wie wir beide wissen«, erwiderte die Direktorin. »Wie auch immer, die Mädchen sind stolz darauf, dass sie als Waffe dienen dürfen, die im Kampf für ein höheres Gut eingesetzt wird.«
    »Nun ... Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir einen letzten Rat zu meiner Entscheidung zu geben?«, fragte er.
    »Um offen zu sprechen: Ich glaube nicht, dass Sie überhaupt eine Wahl haben.« Mrs. Merlin linste über den Rand ihres Lorgnons. Bedächtig rückte sie den Stapel Papiere auf dem Tisch zum Quadrat. »Die letzten Beurteilungen der Lehrkräfte bestätigen nur meine eigenen Beobachtungen: An den Waffen zeigt sich niemand auch nur annähernd so fähig wie Shannon.«
    »Ich zweifle nicht an ihrer körperlichen Schlagkraft«, entgegnete Lynsley sanft. »Es ist ihr geistiger Zustand, über den ich mir Gedanken mache. Wenn je ein Auftrag nach einem kühlen Kopf und eisernen Nerven verlangt hat, dann dieser hier. Ein unbesonnener Schachzug, ein unnötiges Risiko, und sie wird sterben - wie auch andere, als Ergebnis ihres Scheiterns.« Der Marquis starrte in seine Tasse, als wollte er aus den Teeblättern lesen. In den ersten Monaten des Jahres 1812 hatte Napoleon auf dem Kontinent einen militärischen Triumph nach dem anderen gefeiert. England sehnte sich verzweifelt nach einem Sieg - sei es auch nur nach einem kleinen - um zu zeigen, dass der Kaiser nicht allmächtig war. »Ich habe die Berichte über Disziplin und Betragen ganz oben auf Ihrem Stapel gelesen. Ich frage mich, ob es moralisch gerechtfertigt ist, über eine Schwäche hinwegzusehen, die schon im Vorhinein bekannt ist.«
    »Manchmal kann eine Schwäche auch ein Vorteil sein. Es ist alles eine Frage der Zeit und des Maßes«, gab Mrs. Merlin zurück. »Mit Entschlossenheit, sogar mit Waghalsigkeit, kann man den Klauen der Niederlage doch noch den Sieg entreißen.«
    Lynsley lächelte trocken. »Ihre Worte sind sehr überzeugend.«
    »Es liegt daran, dass Sie mich für den Unterricht in Rhetorik und logischem Denken so ausgezeichnet bezahlen.« Hinter dem Lorgnon blitzte ein Zwinkern auf. »Ich nehme an, dass Sie sich noch nicht endgültig entschieden haben?«
    »Nein.«
    »Dann sollten wir sie hereinrufen. Falls Sie im letzten Moment beschließen, die Strategie zu wechseln, dann werden wir uns neu ordnen und mit einem anderen Angriffsplan aufwarten.«
    Als Lynsley nickte, stand die Direktorin auf und eilte zur Tür.
 
    Shannon wischte sich die Hände an der Rückseite ihrer Reithose ab und versuchte, auf diese Weise das Schwarzpulver und die Gewehrschmiere loszuwerden. Der Blick in die Fensterscheibe zeigte ein verschwitztes Gesicht mit Schlammspritzern, das von den unbändigen Locken umrahmt wurde. Eher ein Bild der Sorglosigkeit als eines der Selbstbeherrschung.
    Sie atmete tief durch, versuchte, ihre Gefühle zu zügeln. Falls Mrs. Merlin und Lynsley einen Schliff wie auf dem Exerzierfeld erwarteten, würden sie eine Enttäuschung erleben. Und das nicht zum ersten Mal.
    Shannon straffte die
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