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Gefaehrliches Schweigen

Gefaehrliches Schweigen

Titel: Gefaehrliches Schweigen
Autoren: Ritta Jacobsson
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in der Schule?“
    Er schüttelte rasch den Kopf.
    „Nein. Und du?“
    „Auch nicht, aber morgen geh ich hin. Am Nachmittag haben wir unser Spiel gegen Södertälje.“
    „Bestimmt wird jetzt alles viel friedlicher.“
    „Hoffentlich.“
    „Und was glaubst du? Wie wird das Spiel ausgehen?“
    Ich zuckte die Schultern.
    „Wir werden unser Bestes tun.“
    Kurz sahen wir einander an.
    Die Sonne spielte im Haar des Jungen, der mich auf eine Art berührt hatte wie kein anderer zuvor und dessen Blick mich verzaubert hatte.
    Als seine Augen mich anschauten und um Verzeihung flehten, fand ich sie immer noch schön. Aber sie riefen keine tieferen Gefühle mehr bei mir hervor.
    „Gehen wir?“, schlug er vor.
    Mit einem Nicken deutete er auf den Weg, den wir sonst immer gemeinsam zurückgelegt hatten.
    „Ich muss in die andere Richtung“, sagte ich.
    Nach einem kurzen Klaps auf Glöckchens großen Kopf machte ich kehrt und setzte mich in Bewegung.
    Ich spürte Linus’ Blicke im Rücken.
    Aber ich drehte mich nicht um.





PROLOG
    „Wie sollen wir … das nur … je …?“
    Die Stimme seiner Mutter brach. Heute gelang es ihr nicht, auch nur einen einzigen Satz zu vollenden.
    Sie weinte.
    Schon wieder.
    Wie war es möglich, dass sie immer noch Tränen übrig hatte?
    Er hatte sie weinen hören – in der Dusche, im Schlafzimmer, in der Küche. Manchmal leise wimmernd, manchmal untröstlich schluchzend.
    „Wenn dein Vater nur kommen könnte …“
    „Red keinen Scheiß!“
    Er verließ das Zimmer, trat auf dem Weg durch den Flur hart mit dem Absatz auf den Boden. Sein Vater. Papa! Als ob der danach fragte! Nicht ein einziges Mal hatte er von sich hören lassen. Und dabei musste er es wissen. Die Polizei hatte ihn natürlich auch benachrichtigt. Aber sein Vater lebte ja sein eigenes Leben, dafür hatte er sich schon vor Jahren entschieden.
    Seine Mutter war diejenige, die seine Katastrophe auf ihren schmächtigen Schultern trug.
    Und dennoch war es nicht ihr Leben, das in die Brüche gegangen war.
    Es war seins.
    „Versuch dein normales Leben wieder aufzunehmen.“
    Damit quasselte ihm die Sozialtante andauernd die Ohren voll, mindestens hundert Mal hatte sie das gesagt. Warum mussten sie auch immer wieder dort hinrennen? Seine Mutter saß sowieso bloß heulend daneben. Und er selbst hatte alles bis zum Überdruss gehört. Das normale Leben, das hieß aufs Sozialamt rennen, verhört werden und das Schluchzen seiner Mutter anhören.
    Es würde nie mehr so werden wie früher. Sie hatten sein Leben ruiniert.
    Diese beschissenen Schweine!
    Der Hass brannte wie Feuer, wie ätzende Säure.
    Er würde sich rächen.
    Sie sollten sich nie mehr sicher fühlen können. Nirgends. Weder auf der Straße noch im Park oder im Hauseingang, ja nicht einmal in ihren eigenen Wohnungen.
    Aus lauter Angst, sie könnten das nächste Opfer sein, würden sie nur noch durch die Gegend huschen und verstohlene Blicke über die Schulter werfen.
    Er wusste, was er tun würde, spürte die Anspannung im ganzen Körper, als er den Baseballschläger aus dem Schrank holte. Der war neu. Der Lack glänzte so stark, dass man sich fast darin spiegeln konnte.
    Er zog sein Sweatshirt aus und stellte sich mit nacktem Oberkörper vor den Spiegel. Unter der Haut spannten sich die Muskeln. Er hatte sie hart trainiert. Morgens und abends, jeden Tag.
    Triumphierend warf er seinem Spiegelbild eine eiskalte Grimasse zu.
    Keine Risse, keine Blößen.
    Jetzt war es so weit.
    Er hatte eine von ihnen beobachtet und sie ein paar Mal verfolgt. Sie joggte regelmäßig. Verdammt einfach! Er wusste genau, wo er zuschlagen konnte.
    Adrenalin schoss ihm in die Adern, als er sich vorstellte, was passieren würde. Vor Wut konnte er nicht mehr still stehen.
    Diese verdammte … beschissene … widerliche …
    Er holte mit dem Schläger aus, umklammerte ihn so fest mit der Hand, dass er fast einen Krampf bekam. Dann schwang er ihn in die Luft und schlug ihn mit aller Kraft auf den Tisch.
    Die Bretter krachten, die Splitter flogen wie Geschosse durchs Zimmer.
    Nächstes Mal würde der Schlag keinen Tisch zerschmettern.

SONNTAG
    Die Uhrzeiger näherten sich halb zehn, als Papa und ich uns endlich aus den Sesseln erhoben. Wir hatten uns nicht vom Fernseher losreißen können. Kanada hatte Finnland im Hockey geschlagen. Ein echter Thriller.
    „Komm, wir joggen noch eine Runde, fürs Schlafen ist es noch viel zu früh“, behauptete Papa.
    „Für Svea aber nicht. Außerdem wird es
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