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Gefaehrliches Schweigen

Gefaehrliches Schweigen

Titel: Gefaehrliches Schweigen
Autoren: Ritta Jacobsson
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die Vögel waren verstummt.
    Ich bereute, dass ich nicht mit Papa weitergelaufen war. Es würde mindestens zehn Minuten dauern, bis er die ganze Runde zurückgelegt hätte. Im Lauf von zehn Minuten kann man sich vieles einbilden.
    Mir lief es kalt über den Rücken. Irgendetwas stimmte nicht. Es war nichts Greifbares, eher ein Gefühl.
    Plötzlich wurde es konkret. Irgendwo in meiner Nähe raschelte etwas.
    Ich blieb stehen und horchte. Mein Blick fuhr hin und her. War das ein anderer Jogger? Oder ein Hundebesitzer beim Abendspaziergang? Vielleicht ein Reh? Hier in der Gegend gibt es reichlich Wild.
    Der Pfad lag verlassen da.
    Niemand ließ sich blicken.
    Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass sich jemand rechts vom Pfad versteckte, hinter dem mannshohen Stein, an dem ich gerade vorbeigelaufen war.
    Mein Herz klopfte heftig. Ich konnte den Parkplatz noch sehen. Die offene Fläche lockte mich zurück. Dort könnte mich niemand überraschen.
    Aber dann müsste ich noch einmal an dem Stein vorbeilaufen.
    Wieder hörte ich das Geräusch. Ein knackender Zweig. Raschelnde Kleidung. Dann schwere Schritte. Das war jetzt keine Einbildung mehr. Die Geräusche kamen von schräg hinten. Irgendjemand folgte mir, hielt sich aber hinter den Büschen verborgen.
    Ich zögerte. Sollte ich weiterlaufen?
    In diesem Moment erhellte ein Blitz den Himmel. Shit! Ich fuhr zusammen und konnte gerade noch auf zwölf zählen, bevor der laute Donnerschlag den Boden erschütterte.
    Ich tastete in der Tasche nach dem Handy.
    Oh nein!
    Das lag zu Hause! Wir hatten ja bloß eine einzige Runde laufen wollen. Geht’s noch idiotischer!?
    Wenn ich weiterliefe, käme ich immer tiefer in den Wald. Zwar joggte Papa mir aus der anderen Richtung entgegen, aber es würde noch ein paar Minuten dauern, bis er die ganze Runde zurückgelegt hätte.
    Hoffentlich sprintete er wie ein Weltmeister!
    Wieder knackte etwas. Ein paar Zweige brachen.
    Rechts vom Pfad erhoben sich dichte Tannen, Seite an Seite, wie eine Mauer. Ich schielte immer wieder nach hinten und behielt dabei auch die Bäume im Auge.
    Mit jeder Sekunde wuchs meine Panik.
    Was mach ich bloß?
    Der Donner krachte und ließ den Boden vibrieren.
    Ein neuer Blitz zischte über den Himmel und erhellte den Wald –   und zugleich etwas hinter den Tannen.
    Ein Paar große, grobe Stiefel!
    Mein Herz wurde zu Eis.
    Die Stiefel bewegten sich. Die Tannenäste schwankten, bogen sich und ließen jemanden in einem langen schwarzen Kapuzenumhang aus dickem Stoff erkennen. Der Kopf verschwand im Schatten der hochgeklappten Kapuze.
    Noch ein Blitz.
    Kurz nahm ich eine Bewegung neben dem hohen Stein wahr. Eine zweite umhüllte Gestalt trat hervor.
    Beide bewegten sich mit großen Schritten.
    Und beide kamen auf mich zu.
    *
    Von Panik gepackt schoss ich los. Irgendwo vor mir auf der Strecke kam Papa mir entgegen. Mehr konnte ich nicht denken.
    Hinter mir hörte ich schwere Schritte im Kies.
    Ich unterließ es, nach hinten zu schauen, und vergewisserte mich stattdessen sorgfältig, wohin ich meine Füße setzte. Jetzt zu stolpern wäre verhängnisvoll gewesen.
    Anfangs hatte der Schock mein Gehirn gelähmt, aber inzwischen rotierten die Gedanken mindestens so schnell, wie meine Füße rannten.
    Was waren das für Typen, die mich da verfolgten? Warum hatten sie sich verkleidet? Und warum so, mit altertümlichen Kutten wie aus dem finstersten Mittelalter?
    Aber die dicken Stiefel waren modern. Das erhöhte meine Chancen. Ich war zum Joggen angezogen. Außerdem bin ich die schnellste Achtklässlerin der Schule.
    Allerdings waren die beiden größer und kräftiger als ich.
    Und ich war voller Angst und die Erschöpfung steckte mir als bleiernes Gewicht in den Gliedern.
    Die schweren Schritte hörten sich gefährlich nah an.
    Sie würden mich einholen. Ich hatte keine Chance.
    Ein bitterer Geschmack stieg in mir auf, meine Beine schmerzten immer heftiger. Die Kapuze meiner Jacke glitt herunter und die Mütze flog davon, aber ich lief mit flatternden Haaren weiter. Ich hatte das Gefühl, als würde jeder Atemzug meine Lungen sprengen, in den Ohren pfiff und schrillte es.
    Als ich mich der Stelle näherte, wo der Pfad jäh um die Kurve biegt, wurden meine Schritte immer schwerfälliger. Vor mir türmte sich der lange Anstieg auf. Genauso gut hätte das eine Wand sein können.
    Ich schluchzte laut auf.
    Das war das Ende.
    Ich konnte nicht mehr.
    „Hallo!“
    Ein einziges Wort genügte. Mein Herz zersprang fast vor
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