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Gefaehrliches Schweigen

Gefaehrliches Schweigen

Titel: Gefaehrliches Schweigen
Autoren: Ritta Jacobsson
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gleich regnen.“
    Mama lag zurückgelehnt auf dem Sofa, Wuff als schwarz gefleckte Felldecke über die Beine drapiert. Beide warfen uns träge Blicke zu. Keine Chance, von Hund oder Mutter begleitet zu werden.
    „Unsinn! Andere Vierzehnjährige verbringen halbe Nächte vor dem Computer. Die Maiabende sind lang und hell.“
    Ich seufzte. Ich hatte mich am Nachmittag schon bei einem Volleyballspiel mit der Schulmannschaft verausgabt, wollte Papa den Spaß aber nicht verderben. Außerdem war ich diejenige, die darauf bestanden hatte, das Hockeyspiel anschauen zu dürfen.
    „Auf, Nisse! Wir ziehen uns um!“
    Dafür, dass er über vierzig ist, sieht Papa noch gut aus, jedenfalls wenn er zur Arbeit fährt und Hemd und Anzug trägt. Für unsere Joggingrunde besteht er leider auf seinem verwaschenen, grau verfärbten Poloshirt und seinen alten Shorts, die den größten Teil seiner langen haarigen Beine zeigen. Ein Fest für die Stechmücken heute Abend!
    Bei mir würden die Viecher keine Chance haben. Ich schlüpfte in dunkelblaue Trainingshosen, die unten mit eng anliegenden Bündchen abschlossen. Dazu eine kurze dünne Kapuzenjacke.
    Als wir losradelten, bewegte sich die Sonne bereits auf den Horizont zu. Sie hielt sich zwar hinter dunklen, drohenden Wolken verborgen, flammende Röte verriet jedoch ihr Versteck.
    Nach gut fünf Minuten waren wir beim Badeplatz angekommen. Ich war gestern mit ein paar aus der Klasse auch dort gewesen. Wir hatten auf der Wiese, die zum Badestrand hinunterführt, Brennball und Frisbee gespielt. Alexander und Ranjan und noch ein paar Wagemutige hatten sich ins Wasser gestürzt. Das kam mir jetzt unbegreiflich vor. Das Wasser lag schwarz wie Öl da.
    Wir ketteten unsere Räder an einem Baumstamm zusammen. Der Parkplatz war leer und verlassen. Jeder vernünftige Mensch hat vor aufziehendem Unwetter Respekt. Bloß wir nicht.
    Ich stopfte mir die Haare unter meine Baseballmütze und zog die Kapuze der Jacke darüber.
    Papa lachte laut.
    „Du siehst aus wie der schlimmste Hooligan.“
    „Es gibt schließlich Mücken.“
    „Quatsch! Es gibt keine einzige …“
    Im selben Moment zuckte er zusammen und klatschte mit der Handfläche auf seinen linken Schenkel.
    Ich warf ihm unterm Mützenschirm einen vielsagenden Blick zu.
    „Okay, eine einzige, aber die hab ich ja erwischt!“
    Wir trabten los. Ich überließ Papa die Spitze und lief in ruhigem Tempo hinter ihm her, von Gedanken und Gefühlen befreit. Ich genoss den Wald, die Bewegung und die frische Luft.
    Anfangs wand sich der Pfad am Ostufer des Bro-Sees entlang. Dort war es eben und wir konnten zügig laufen. Waldeinwärts stieg das Gelände jedoch steil an und meine geplagten Beinmuskeln begannen heftig zu schmerzen.
    Es wurde rasch dunkel. Die Bäume verschmolzen mit den Büschen zu einer dunklen Masse. Vorläufig grollte der Donner noch in der Ferne, doch das Gewitter war schon zu uns unterwegs.
    Papa scherte das wenig. An der letzten abschüssigen Strecke legte er einen Spurt ein und joggte am Parkplatz vorbei.
    „Auf zur nächsten Runde!“
    Aber ich blieb stehen. Meine Muskeln schmerzten und ich hatte Seitenstechen. Ich hätte daheim im Sessel bleiben sollen.
    Papa warf einen Blick zurück über die Schulter.
    „Keine Müdigkeit vorschützen, Svea!“
    Er drehte sich zu mir um, federte auf und ab und ließ die Arme kreisen, um warm zu bleiben.
    „Nein, es wird gleich regnen.“
    „Das schaffen wir noch. Es dauert bloß zehn Minuten.“
    „Ist mir zu anstrengend.“
    „Faulpelz.“
    „Hab doch heute schon Volleyball gespielt!“
    „Na gut, eine halbe Runde! Wir treffen uns auf halbem Weg…“
    „Eine halbe Runde gibt’s nicht!“
    Er verdrehte die Augen.
    „Wollte bloß testen, ob du mitdenkst. Also gut, mit Abkürzung!“
    „Etwa über den Berg?“
    „Ausreden! Lauf, so weit du kannst, dann treffen wir uns irgendwo auf der Strecke.“
    Papa wartete meine Antwort gar nicht erst ab, sondern winkte und begann mit federnden Schritten bergaufwärts zu joggen, ohne sich um meine schmerzenden Muskeln zu kümmern.
    Ich trottete schweren Schrittes in die entgegengesetzte Richtung los. Wenn Papa dieses Tempo durchhielt, würde ich ihm am Fuß der ersten Steigung begegnen.
    Bereits nach zwanzig, dreißig Metern geschah etwas Eigenartiges. Ohne Papas fröhliches Gelächter verwandelte sich der Wald, er wurde dunkel, unheimlich und einsam.
    Die Gewitterwolken glitten mit bedrohlichem Grollen immer näher. Es war windstill. Sogar
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