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Gefaehrliches Schweigen

Gefaehrliches Schweigen

Titel: Gefaehrliches Schweigen
Autoren: Ritta Jacobsson
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Erleichterung. Ganz oben auf der Kuppe des Hangs tauchte eine langbeinige Gestalt in ausgewaschenem Polohemd und schlabbrigen Shorts auf. Die Gestalt machte ein Siegeszeichen in die Luft und kam wie ein Hundertmeterläufer den Hang heruntergespurtet.
    „Pa…pa …“
    Ich brachte bloß ein heiseres Zischen heraus, während ich vorwärtsstolperte. Nur noch ein paar Meter.
    Papa bremste schwungvoll direkt vor meinen Füßen.
    „Die-die …verfolgen …“
    Ich keuchte schwer, konnte kaum sprechen.
    „Ein Stück weiter hinten im Wald hab ich schon geglaubt, du kämst mir entgegen. Das Mädchen hatte …“
    „Papa! Die verfolgen mich!“
    Ich zeigte mit dem ganzen Arm nach hinten und drehte mich dabei um.
    Der Pfad hinter mir war leer.
    „Die sind im Wald … wir müssen …“
    „Wer denn?“
    „Sie hatten Kutten an.“
    „Kutten?“
    „Ja, mit Kapuzen. Wie in Der Herr der Ringe . Sie haben mich verfolgt.“
    Sein Gesichtsausdruck war halb belustigt, halb beunruhigt. Ich hörte selbst, wie bescheuert das klang. Aber genau das hatte ich ja gesehen.
    Es donnerte wieder. Der Wind frischte auf. Die Kiefern und Tannen begannen knarrend zu schwanken und die Laubbäume bogen sich im Wind.
    „Haben sie irgendwas gemacht?“
    Seine Stimme klang plötzlich scharf.
    „Nein, ich bin ja davongelaufen.“
    „Aber … hatten sie tatsächlich Kutten an …?“
    „JA!“
    Ich hasse es, wenn man mir nicht glaubt!
    Wir standen auf dem Pfad und starrten uns aufgebracht an, als die ersten kühlen Tropfen auf unsere erhitzten Gemüter fielen.
    „Wir fahren wohl besser nach Hause“, sagte Papa mit einem Blick an den Himmel.
    Mit schweren Beinen trottete ich neben Papa auf den Parkplatz zu. Ich drückte mich so eng an ihn, dass ich ihm zwei Mal auf die Füße trat. Aber er sagte nicht einmal „au“. Ihm war klar, dass ich Angst hatte.
    Während wir heimwärts radelten, wurden die Baumkronen von immer heftigeren Windstößen geschüttelt. Ich senkte den Kopf, um den Wind zu durchpflügen, der mich fast umblies. Es goss in Strömen und meine Kleider wurden nass und kalt.
    Auch zu Hause brach ein Gewitter los, als Mama zu hören bekam, was geschehen war.
    „Du bist ja verrückt!“
    Sie fuchtelte mit der Spülbürste durch die Luft, als wäre die Bürste ein Messer. Der Schaum flog in alle Richtungen, traf Wuff auf die Schnauze und ließ sie aufschnauben.
    „Weißt du eigentlich, was einer Vierzehnjährigen zustoßen kann, die allein im Wald unterwegs ist?! Denk nur an Mikaela!“
    Mit dem tragischen Tod meiner Mitschülerin Mikaela war sie auf der falschen Spur. Kein Wunder, dass Papa protestierte.
    „Aber das war doch …“
    „Ein Unfall, ja! Aber wie weit darf die Verantwortungslosigkeit gehen? Ich hab immer geglaubt, unser Kind wäre dir wichtig!“
    Ihre Augen glänzten und ihre Stimme klang rau.
    „Klar ist Svea mir wichtig, aber …“
    „Und warum hast du sie dann allein und schutzlos gelassen?“
    Wenn man Mama hörte, könnte man meinen, wir lebten im schlimmsten Sumpf des Verbrechens. Papa tat mir leid.
    „Das war doch bloß, weil ich keine zusätzliche Runde geschafft hab …“
    „Aber Mister Macho musste sich unbedingt aufspielen. Was glaubst du wohl, wen du damit beeindruckst?“
    Papa murmelte etwas Unverständliches.
    „ Was hast du gesagt?!“ , schrie Mama.
    „Ja, ja, ja, das war dumm von mir. Aber meistens sind da noch andere Jogger unterwegs und Nordic Walker und Hundebesitzer, darum hab ich nicht gedacht …“
    „Nein! Denken scheint wirklich nicht deine Stärke zu sein!“
    „Außerdem war Svea nicht die Einzige, die alleine dort unterwegs war. Ich bin auch einem anderen jungen Mädchen begegnet. Zuerst hab ich tatsächlich geglaubt, es wäre Svea…“
    Mama hörte nicht zu.
    „Wenn du sie jemals wieder allein lässt …“
    Der unabgeschlossene Satz ließ keinen Raum für irgendwelche Spekulationen. Es klang wie eine Drohung.
    „Das werde ich nicht.“
    Der Sturm rüttelte draußen an den Fensterscheiben, aber drinnen im Haus begann er sich zu legen.
    „Wahrscheinlich hätte ich anhalten und mich vergewissern sollen, dass mit diesem anderen Mädchen alles okay war“, sagte Papa.
    Mama nickte.
    „Wir müssen eben hoffen, dass ihr Vater auch irgendwo auf dem Pfad unterwegs war“, sagte sie als Trost.
    Ich ließ die beiden mit ihren Gewissensbissen allein.
    „Muss jetzt unter die Dusche“, sagte ich.
    „Versprich mir eins“, sagte Mama.
    „Ja-a?“
    „Nie mehr allein im Wald zu
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