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Gefährlicher Sommer

Titel: Gefährlicher Sommer
Autoren: Bastei Lübbe
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Kathrin, deren Eltern in die Karibik geflogen waren. Sie hatten sofort zurückkommen wollen, aber Kathrin hatte sie, in einem bei ihr seltenen Anflug von Reife, überredet, zu bleiben, wo sie waren.
    »Es wäre doch Unsinn, die teure Reise zum Fenster hinauszuwerfen«, erklärte sie ihrer Mutter am Telefon über den Atlantik hinweg. »Hier wird wirklich gut für mich gesorgt. Es gibt sogar eine richtige Krankenschwester. Macht euch nur keine Sorgen!«
    Kathrins Eltern machten sich natürlich Sorgen und riefen jeden Tag an, aber Frau Andresen, Toms Mutter, konnte sie beruhigen: Die Patientin hatte zwar Fieber, und es ging ihr ganz sicher nicht gut, aber der Arzt hatte erklärt, die Krankheit nehme einen ganz normalen, keineswegs beängstigenden Verlauf.
    Kathrin hatte das Reitinternat zum ersten Mal im letzten Sommer besucht, als auch Pat, Angie und Diane ihren Einstand gegeben hatten. Zwischen Tom, Chris und den drei fremden Mädchen hatte sich sehr schnell eine intensive Freundschaft entwickelt, die sich im Winter vertieft hatte. Da war dann auch noch die Romanze zwischen Tom und Pat hinzugekommen, und es sah nicht so aus, als würden die einmal gewachsenen Zuneigungen so rasch wieder vergehen.
    Kathrin hatte es nie geschafft, in den Kreis der Freunde aufgenommen zu werden. Es war etwas an ihr, was die anderen nicht recht warm mit ihr werden ließ. Kathrin war das einzige Kind sehr reicher Eltern, die ihre Tochter zum Mittelpunkt ihres Lebens erkoren und ihr von klein auf beigebracht hatten, sie sei etwas ganz Einmaliges, Besonderes und Vollkommenes. Unglücklicherweise begann Kathrin irgendwann, das zu glauben. Selbst wenn sie sich Mühe gab, nett zu sein, sie wirkte immer arrogant, überheblich und traf einfach nie den richtigen Ton. Im Grunde hätte sie viel Verständnis gebraucht und jemanden, der sie auf sanfte Weise zurechtrückte, aber ihre Altersgenossen waren dafür nicht unbedingt geeignet. Jedenfalls sicher nicht die burschikose Angie und die raubeinige Pat.
    »Wie geht es dir, Tom?«, erkundigte sie sich jetzt. Ihre Magerkeit und das strähnige Haar machten sie ihm fast sympathischer. »Ich fühle mich heute endlich wieder etwas besser.«
    »Ich mich auch. Ich habe kein Fieber mehr.«
    »Ich auch nicht!« Kathrin strahlte hoffnungsvoll. »Weißt du, ich denke, wir beide haben noch Glück im Unglück gehabt. Immerhin liegt keiner von uns allein in der Eulenburg herum. Das wäre doch noch schlimmer, nicht?«
    »Hm«, machte Tom. Er war nicht sicher, ob das schlimmer gewesen wäre. Was sollte er mit Kathrin? Er vermisste Pat!
    Als ahne sie seine Gedanken, fragte Kathrin plötzlich: »Sind die anderen nun wirklich nach Teneriffa geflogen? Ich hörte so etwas ...«
    Kathrin hörte immer etwas, was daran lag, dass sie mit höchst gespitzten Ohren herumlief und alles aufschnappte, was sie nichts anging.
    Tom musterte sie verdrießlich. »Ja. Das sind sie. Ach, verdammt!« Er trat mit dem Bein gegen das Fußende seines Bettes. »Heute kommen sie in Teneriffa an! Und ich liege hier! So etwas Idiotisches! Scharlach!«
    Er war wirklich unglücklich. Erst jetzt begriff er wirklich, wie sehr er sich auf die Wochen mit seinen Freunden gefreut hatte, auf Pat natürlich vor allem, aber auch auf die anderen, auf das Reiten und Schwimmen, auf Wattwanderungen und lange, sonnige Nachmittage, die man am Rand einer Pferdekoppel verbringen konnte, im warmen Gras sitzend, lachend, plaudernd, unsinnige Witze erzählend. Er hatte sich auf die ganze hektische Betriebsamkeit gefreut, die in allen Ferien die Mauern der Eulenburg erfüllte. Das Jahr über war es still auf dem Hof, es kamen zwar auch ein paar Reitschüler jeden Tag, aber die gingen nachher wieder heim, und es war nicht dasselbe. Außerdem verbrachte er da den halben Tag in der Schule, die restliche Zeit ging über den Hausaufgaben verloren. Ausgerechnet in den großen Ferien musste er krank werden, nur, weil eines der Mädchen aus der Küche Scharlach einschleppte. Dumme Kuh!
    »Lass mich allein!«, sagte er missmutig zu Kathrin. »Ich habe Kopfweh. Ich will schlafen.«
    »Soll ich nicht vielleicht ...«
    »Raus!«
    Kathrin verließ gekränkt das Zimmer. Tom drehte sich auf die andere Seite. Immer noch besser, die Wand anzustarren als die trüben, tiefgrauen Wolken draußen vor dem Fenster.
 

 
    La Laguna liegt zwischen der Hafenstadt Santa Cruz - die zugleich die Hauptstadt der Insel ist - und dem Anagagebirge, das von dichtem Wald, dem Mercedes-Wald, bedeckt
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