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Gefaehrliche Tiefen

Gefaehrliche Tiefen

Titel: Gefaehrliche Tiefen
Autoren: Pamela S. Beason
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rannte aus dem Gebäude und wäre auf dem glatten Trottoir beinahe ausgerutscht, so hektisch versuchte sie, ein Taxi heranzuwinken. Aber kaum war sie in den leisen Korridoren des Mercy Hospital angelangt, näherte sie sich dem Zimmer dreihundertneun nur zögerlich. Würde sie das, was sie vorfinden würde, verkraften? Warum hatte sie Nicole nicht nach Chase’ Zustand gefragt? War er bei Bewusstsein, hatte er noch alle seine Gliedmaßen? Sie hätte fragen sollen, was es bedeutete, dass sie nicht auf Chase’ Liste stand. Wollte er sie überhaupt sehen?
    Langsam schob sie sich zu der offenen Tür vor. Er lag mit dem Rücken zu ihr, seine früher glänzend schwarze Mähne war zu schwarzen Stoppeln gestutzt. Das Krankenbett war halbhoch gestellt. Er hatte sich zu einer attraktiven jungen Frau mit glatter, olivfarbener Haut und rabenschwarzem Haar gedreht, das nach hinten gekämmt war und von einer Spange zusammengehalten wurde.
    Die Frau reichte ihm gerade ein Glas Wasser und bog den Strohhalm so, dass Chase problemlos trinken konnte. Sie lächelte über etwas, das er gesagt hatte. Ihr Gesicht war perfekt oval geformt, und sie war bildhübsch. Ihre Bewegungen zeigten Sam, dass sie zu dem Mann im Bett ein locker-vertrautes Verhältnis hatte. Sie war haargenau Chase’ Typ. Irgendwie wusste Sam, dass diese Frau auf Chase’ sagenumwobener Liste stand, die im FBI -Hauptquartier hinterlegt war. Sie war über jeden einzelnen Schritt unterrichtet worden, und nach Chase’ Verwundung an sein Krankenbett geeilt, während man Sam im Regen stehen beziehungsweise in einem südamerikanischen Knast hatte verrotten lassen.
    Sam war versucht, wieder zu gehen, als die Frau aufschaute und ihren Blick einfing. Dann drehte sich Chase um. Seine Verwunderung wich rasch einem breiten Grinsen.
    Â»Summer!« Er streckte eine Hand in ihre Richtung.
    Sie ging ins Zimmer, blieb dann jedoch zögernd stehen. »Ich wollte nicht stören.«
    Â»Du lebst!«, rief Chase. So hatte er sie bei mehr als einer Begegnung begrüßt.
    Â»Komme, was da wolle«, antwortete sie. Sie nahm ihn bei der Hand. »Das haben wir uns versprochen, oder? Tut mir leid, dass ich einen Tag zu spät komme.«
    Sein Brustkorb war bandagiert, seine rechte Wange zierten Schürfwunden, als hätte er mit dem Gesicht voraus im Kies gebremst. Er kam ihr auch dünner vor. Es war beunruhigend, ihn so angeschlagen zu sehen, vielleicht lag es aber zum Teil auch nur an seiner fehlenden Mähne.
    Â»Ich schlage dich locker«, sagte er. »Aber es tut mir leid, dass ich nicht so ganz einsatzfähig bin.«
    Â»Er war fast vierzig Stunden bewusstlos«, fügte die Frau hinzu.
    Chase ging nicht weiter darauf ein, sondern fuhr sich mit der Hand über die Stoppeln auf dem Kopf. »Siehst du das?«, sagte er zu Sam. »Wächst schon wieder.«
    Â»Und das Tattoo?«, fragte Sam im Bemühen, im Beisein der anderen Frau einen lockeren Ton beizubehalten.
    Er hob den rechten Arm, stöhnte aber leise, als er ihn ihr hinstreckte. Dann spannte er den Bizeps an. Na bitte, da war die indigoblaue Flagge. Er rieb mit dem Finger über das Maul der Schlange. »Die Dinger wird man schwerer los, als immer behauptet wird.«
    Er blickte ihr in die Augen, und eine Minute lang musterten sie sich gegenseitig. Sein linkes Ohr war durchstochen, doch statt des Schädels baumelte nun ein kleiner silberner Ring daran.
    Er zog die rechte Augenbraue hoch und sah sie fragend an. »Hast du echt geglaubt, ich sei tot?«
    Er hatte schon immer ihre Gedanken erraten. Ihr Hals war wie zugeschnürt, sie brachte kein Wort heraus und nickte nur.
    Â»Komm her.« Er zog sie mit überraschenden Kräften an sich, und sie leistete keinerlei Widerstand. Er küsste sie lang und innig und hielt sie fest im Arm. Als er sie endlich wieder losließ, sagte er: »Du siehst aus, als wärest du gerade aus den Tropen zurückgekommen. Du schmeckst sogar nach Salzwasser.«
    Hinter Sam räusperte sich die andere Frau vernehmlich.
    Chase stellte die beiden einander vor. »Raven, das ist die großartige, unerschrockene Frau, von der ich dir erzählt habe – Summer Westin. Und Summer, das ist meine Schwester Raven.«
    Â»Sag bitte Rae.«
    Rae. Schwester. Kein Wunder, dass sie aussahen wie füreinander geschaffen. Sam lächelte schwach. Jetzt war es offiziell: Sie war sozial inkompetent.
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