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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen
Autoren: Alf Rehn
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zu nehmende Veränderung ist dieser Prozess niemals schmerzlos. Ernsthafte Kreativität erfordert, die Wohlfühlübungen, lustigen Anekdoten und die allgemeine herzerwärmende Behaglichkeit zu überwinden, die den heutigen Kreativitätsdiskurs umgeben. Stattdessen müssen wir in Bereiche vordringen, in denen es ungemütlich und sogar gruselig wird und unsere althergebrachten Techniken der gedanklichen Steuerung nicht mehr funktionieren.
    Wenn uns dies gelingt, wenn wir unser Bedürfnis nach Wohlbehagen und das von Hochglanzbildern geprägte Verständnisnis von Kreativität hinter uns lassen können, entdecken wir, dass wir imstande sind, Erstaunliches zu leisten. Der Weg hin zu gefährlichem Denken wird kein leichter Weg sein, denn nichts von Wert ist jemals spielend leicht erreichbar. Ich habe bereits erwähnt, dass eine von niemandem angefochtene Idee vermutlich nicht sehr gut ist, aus dem einfachen Grund, dass jede herausfordernde Idee von Natur aus Gegner haben wird. Genauso muss das wirklich Kreative schwierig sein, denn es muss das Beliebte und Bekannte herausfordern und uns Unbehagen bereiten, damit wir uns von unserer geliebten Behaglichkeit und Zufriedenheit befreien können.
Schwierig, unbeliebt und ungemütlich – DIESES Motto für kreatives Denken lohnt es, ernst zu nehmen!

Kapitel 2
Warum Kreativität?
    Kreativität ist eine verdammte Plage und ein böser Fluch, der dafür sorgt, dass Sie schon in jungen Jahren an Stress und Alkoholmissbrauch zugrunde gehen, alle ihre Freunde verärgern, Verabredungen nicht einhalten, zu spät kommen und diesen seltsamen Hang zum Bohème-Leben verspüren (Sie wissen schon, diesen dekadenten, coolen Lebensstil nach Zuhältermanier). Die wirklich kreativen Menschen aus meiner Bekanntschaft führen alle ein sehr bescheidenes Leben, haben nie Zeit für einen, achten nicht sonderlich auf ihr eigenes Wohlbefinden, haben einen seltsamen Frauengeschmack und benehmen sich schlecht. Sie waschen sich nicht und essen ekelhaftes Zeug, sie sind geistig labil und absolut brillant.
     
    Toke Nygaard, Design-Papst

    [Bild vergrößern]
    Ein guter Ausgangspunkt könnte die Frage sein, warum wir überhaupt Kreativität brauchen. Eine derartige Frage wird zweifellos als ketzerisch oder gar gefährlich betrachtet werden, und ich kann mir vorstellen, dass nicht wenige meiner Kollegen auf dem Gebiet der Kreativität sie als überaus anstößig empfinden. Genauer gesagt wären sie wahrscheinlich verärgert genug, um in eine emotionale Rede mit dem Tenor auszubrechen, Kreativität werde »überall und von jedem gebraucht«, sie sei »das Einzige, auf dessen Grundlage man irgendetwas von Wert aufbauen« könne und natürlich »ein Kernelement dessen, was uns zum Menschen macht«. Dazu noch viele weitere Dinge, am liebs ten IN FETTER SCHRIFT UND IN GROSSBUCHSTABEN
. Das Problem ist, dass ich sie nicht wirklich ernst nehmen kann. Es ist schon seltsam, dass so wenige von ihnen diese konventionellen Konzepte von Kreativität infrage stellen – insbesondere da so viele von ihnen den ganzen Tag ihrem Publikum erzählen, dass man immer alles infrage stellen sollte. Wirklich alles, außer natürlich unsere Vorstellungen von Kreativität.
    Wenn man einmal darüber nachdenkt, ist das schon sehr seltsam. Kein vernünftiger Mensch würde glauben, dass ein Autoverkäufer, der Ihnen gerade ein Fahrzeug zum Kauf anbietet, dies aus irgendeinem anderen Grund als aus dem Verkaufsmotiv heraus tut. Ebenso wissen wir, dass ein Immobilienmakler vermutlich alles versuchen wird, um ein Haus im bestmöglichen Licht zu präsentieren. Doch wenn Menschen, die mit Vorträgen über Kreativität ihr Geld verdienen, in ihr normales Gerede darüber verfallen, wie nützlich, schön und großartig Kreativität doch sei, nehmen wir dies zumeist unreflektiert zur Kenntnis. Niemand prüft einen Kreativitätsberater auf Herz und Nieren, doch was erwarten wir eigentlich von ihm? Genauso wie Professoren im Fachbereich Existenzgründung sich meist darüber einig sind, dass ihr Forschungsgegenstand wichtig und der Forschung würdig ist – und ich sollte es wissen, denn ich war einer von ihnen –, sagen die meisten Vortragsredner zum Thema Kreativität wenig mehr, als dass Kreativität außergewöhnlich wichtig sei. Sie sind die Opfer eines Fluchs, der sie zwingt, das zu lieben, wovon ihr Auskommen abhängt.
    Analog hierzu bestehen öffentliche Diskussionen über Kreativität aus viel Gerede mit wenig echter Debatte. Jeder einzelne
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