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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen
Autoren: Alf Rehn
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wir sie herbeiwünschen oder benötigen – sie ist einfach da, wenn auch gelegentlich nur als stiller Schatten im Hintergrund.
    Die dauerhafte und unvermeidliche Anwesenheit von Kreativität bedeutet, dass zu ihrer Betrachtung nicht nur die Analyse des Möglichen und Erschaffbaren gehört, sondern dass man auch das Unmögliche und Destruktive untersuchen muss. Der berühmte politische Ökonom Joseph Schumpeter ist heute vor allem für seine Theorie der schöpferischen Zerstörung bekannt. Mit dieser wollte er zeigen, dass jeder kreative Prozess auch die Welt verändert und somit alte Strukturen zerstört. Daher genügt es zum Verständnis der Dynamik von Kreativität nicht, sich allein auf das Neue zu konzentrieren.
    Schumpeter erkannte, dass Kreativität immer mit einem Wandel verbunden ist und dass dieser Prozess ein komplexes Wechselspiel aus Schöpfung und Zerstörung beinhaltet. Angesichts dessen ist es wichtig, auch den Kontext und das Zerstörte zu berücksichtigen. Um es etwas prägnanter auszudrücken: Wir können Kreativität nicht einfach als etwasdauerhaft Angenehmes und Produktives betrachten oder erwarten, dass alles gut wird, solange wir nur »mehr mit Kreativität arbeiten«. Kreativität beinhaltet eben auch Wandel und Zerstörung.
    Warum überhaupt etwas verändern?
    So kommt es, dass ich bei meiner Arbeit mit Unternehmen, die sich verändern und innovativer werden möchten, oft zunächst die vorherrschenden Annahmen hinterfrage, dann aber den Spieß umdrehe und das Unternehmen bitte, seine Gründe für den Wunsch nach Veränderung darzulegen. Einmal verpflichtete mich eine kleine, aber erfolgreiche Unternehmensberatung für einen Teamentwicklungstag, der Wege zu kreativerem Arbeiten aufzeigen sollte – mit dem Ziel, das Unternehmen trendiger und hipper zu machen. Wir übten verschiedene Kreativitätstechniken, besprachen Möglichkeiten, die die Teilnehmer bereits sahen, ebenso wie solche, die sie noch nicht erkannt hatten, und entwickelten mittels Brainstorming zahlreiche Ideen, viele davon hochinteressant. Es herrschte viel Begeisterung, und dennoch wirkte alles ein wenig verbissen. Also setzte ich mich mit den wichtigsten Funktionsträgern zusammen und fragte sie, warum sie das Unternehmen überhaupt verändern wollten. Ich stellte fest, dass viele der Elemente, die sie sich wünschten, bereits im Unternehmen schlummerten und nur darauf warteten, eingesetzt zu werden. Viele der eingebrachten Vorschläge spiegelten individuelle Träume wider und zeugten von dem hohen Engagement der Mitarbeiter.
    Insgesamt schien es, als läge die Stärke des Unternehmens in seiner Kultur und der Bereitschaft seiner Mitarbeiter, Dinge in Angriff zu nehmen. Vereinfacht ausgedrückt schien der Belegschaft die Arbeit zu gefallen – und das ist heutzutage ein nicht zuunterschätzender Vorteil. Daher fragte ich: »Ist nicht alles so, wie es ist, eigentlich ganz in Ordnung?« Die Überraschung, die mir entgegenschlug, verriet mir alles, was ich wissen musste. Sie hatten niemals auch nur in Betracht gezogen, dass ihre bestehenden Arbeitsabläufe, ihre gut funktionierende Unternehmenskultur und ihr Enthusiasmus genug sein könnten. Ich merkte an, dass Veränderungen eine ganze Reihe negativer Folgen haben könnten, obgleich man uns quasi per Gehirnwäsche davon überzeugt habe, dass sie etwas Notwendiges und durchweg Positives seien. Manchmal lautet daher die einzig sinnvolle Entscheidung,
keine
Veränderungen vorzunehmen. Die noch immer leicht benommenen Mitarbeiter des Unternehmens stimmten mir zu, dass dies vernünftig klinge. Sie seien von der Notwendigkeit, Veränderungen und kreative Optionen zu entwickeln, so überzeugt gewesen, dass ihnen dieser Gedanke einfach nicht gekommen sei.
    Symbolische und echte Kreativität
    Diese kleine Episode lehrt uns zweierlei. Zum einen hatte das Unternehmen in seinem Wahn,
irgendetwas
tun zu müssen, schlicht übersehen, dass die Dinge möglicherweise so, wie sie waren, ganz in Ordnung sein könnten. Mit anderen Worten: Der Gedanke, sich nicht verändern zu müssen, war zu einer kreativen
Unmöglichkeit geworden. Wir werden später noch auf dieses Konzept zurückkommen, denn es ist entscheidend, um den Unterschied zwischen symbolischer und echter Kreativität zu erkennen. Zum anderen hatte das Unternehmen es versäumt zu bedenken, welche anderen Variablen durch Kreativität mit ins Spiel gebracht würden. Stattdessen hatten die Mitarbeiter »Kreativität« ausschließlich als
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