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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen
Autoren: Alf Rehn
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Produkt eines bescheidenen Unternehmens: nichts, wofür man sich schämen müsste, aber eben weder revolutionär noch besonders innovativ. Doch das Unternehmen wollte höher hinaus. Eines Tages beschloss es, etwas Neues zu testen, und zwar eine echte Videokamera. Dabei stieß Pure Digital Technologies jedoch auf ein Problem: Das Unternehmen erkannte, dass es im Wettbewerb mit den großen Konzernen auf diesem Markt gnadenlos untergehen würde. Weder verfügte es über die nötigen Ressourcen, um der Konkurrenz bei der Produktentwicklung die Stirn zu bieten, noch über die erforderliche Finanzstärke, um im Preiswettbewerb in den bestehenden Marktsegmenten mithalten zu können. Kurz gesagt: Man wäre nicht in der Lage gewesen, eine bessere Videokamera zu bauen, so sehr man es auch gewollt hätte.
    Diese Situation kennen viele Unternehmen. Wer nicht gerade Marktführer ist, verfügt nur selten über die notwendigen Kapazitäten, um die etablierten Spieler auf einem bestimmten Feld ernsthaftherauszufordern. Im harten Konkurrenzkampf gerät immer irgendjemand ins Hintertreffen, wenn es um die Entwicklung verbesserter Produkte geht. Oft genug führt dies zu Apathie und einer Geisteshaltung, die für Verlierer typisch ist, – und schließlich zum Niedergang und zum Tod des Unternehmens. In einer solchen Situation hilft der unbekümmerte Ruf nach »Innovation« oder »Kreativität« nicht wirklich weiter. Wozu eine brillante Idee entwickeln, wenn man doch genau weiß, dass die Konkurrenz sie einfach übernehmen wird? Und übrigens kosten gute Ideen oft richtig, richtig viel Geld … – Was also tat Pure Digital Technologies?
    Im Rückblick war die Lösung ganz einfach, sie lag eigentlich auf der Hand. Da das Unternehmen im Konkurrenzkampf um den Bau der besten Kamera nicht mithalten konnte, produzierte es einfach eine deutlich schlechtere. Das mag wie ein seltsames Vorhaben klingen, aber tatsächlich handelte es sich um eine geniale, eine wirklich gefährliche Idee , deren Zeit gekommen war. Pure Digital hatte bemerkt, dass einige ältere, weniger ausgefeilte Methoden der digitalen Videoaufnahme inzwischen sehr preiswert geworden waren. Da die meisten Firmen von den neuesten und besten Techniken besessen sind, konnte man die Grundtechnologie für die Aufnahme relativ grobkörniger Videofilme zu einem Spottpreis erwerben. Pure Digital verpackte das Ganze in ein billiges Plastikgehäuse, und da das Unternehmen keine Lust hatte, horrende Summen in die Entwicklung ausgefallener Spielereien zu investieren, verzichtete es einfach darauf. Stattdessen beschränkte man sich auf die unverzichtbaren Bauteile: Aufnahmetaste, Abspieltaste, Löschtaste und wenig mehr. Das einzige Extra war ein integrierter USB-Anschluss, um das Gerät direkt an einen Computer anschließen zu können. Es war klein, billig, unfassbar leicht zu bedienen und damit genau das Richtige für die Youtube-Generation, aber auch für diejenigen, denen normale Videokameras zu kompliziert und natürlich auch zu teuer waren.
    Als die Videokamera im Mai 2006 auf den Markt kam, hieß sie »Pure Digital Point & Shoot«, aber das änderte man rasch zu »Flip Video«. Im September 2007 erschien die etwas ausgeklügeltere »Flip Ultra«, die sich unmittelbar zu einer der meistverkauften Videokameras der Welt entwickelte. In nur wenigen Jahren sicherte sich die Flip den Löwenanteil des Marktes und wurde zum Marktführer in ihrem Segment – mit 1,5 Millionen verkauften Geräten weltweit. Und das Unternehmen? Nun, das wuchs innerhalb von fünf Jahren um satte 50   000 Prozent und wurde später für 590 Millionen US-Dollar von Cisco erworben. Gar nicht übel für einen unbedeutenden Spieler mit einem technisch minderwertigen Produkt! 1
    Es ist leicht, die eigentliche Botschaft dieser kleinen Anekdote zu übersehen. Oft konzentrieren wir uns allein auf das Unternehmen, das ein bahnbrechendes Produkt entwickelt, und vergessen dabei die entscheidende Frage:
Warum ist den anderen nicht dasselbe eingefallen?
Zahllose Unternehmen hatten schließlich die gleiche Chance, ohne jedoch etwas daraus zu machen. Und häufig vergessen wir noch etwas anderes: Das Entscheidende ist nicht unser Wissen, sondern vielmehr, was wir damit anstellen. Tatsache ist nämlich, dass der Rest der Branche sich angesichts der Flip keineswegs dafür verfluchte, sie nicht selbst entwickelt zu haben. Ganz im Gegenteil! Man fand die Flip abscheulich .
    Wenn Ihnen das seltsam vorkommen sollte, dann stellen Sie
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