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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen
Autoren: Alf Rehn
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damit befasst, unseren herkömmlichen Begriff von Kreativität zu sprengen?
    Die schwierige, aber wichtige Herausforderung an Sie als Leser besteht darin, meine Worte einerseits ernst zu nehmen, sie andererseits aber notfalls zu ignorieren. Kreativität ist paradox; sie beinhaltet eine Energie, die sich niemals völlig erklären oder einfangen lässt, und sie ist fortwährend radikal, insofern als sie ständig ihre eigenen Grenzen niederreißen muss. Wenn Sie nur einen einzigen Gedanken dieses Buches im Gedächtnis behalten sollten, dann möge es der folgende sein: Wenn Kreativität davon handelt, unsere herkömmlichen Sichtweisen zu sprengen, folgt daraus nicht, dass sie sich auch damit befasst, unseren herkömmlichen Begriff von Kreativität zu sprengen? Ketzerische Kreativität ist niemals abgeschlossen, in Stein gemeißelt und definiert. Vielmehr ist sie ein Fanfarenstoß, ein Aha-Erlebnis, die Freude über die Erkenntnis, dass man die ganze Zeit falsch lag. Kreativität ist das, was sich nicht beschreiben oder festlegen lässt, sie ist Leidenschaft und Begierde, das Verlangen, weiter zu kommen, als man es für möglich hält.
    Verbrennt sie, verbrennt sie alle!
    Während ich diese Worte aufschreibe, läuft im Hintergrund eine Fernsehshow für Kinder. In dieser Show fragt ein Podiumsteilnehmer, warum verschiedene Dinge, die für Jungen akzeptabel seien – Schweißgeruch, Körperbehaarung, das Erzählen unanständiger Witze –, sich für Mädchen nicht schickten. Mein unmittelbarerGedanke ist: So hört es sich also an, wenn Kreativität schrumpft und abstirbt – der Moment, in dem wir bestimmte Vorstellungen als inakzeptabel legitimieren. Und genau hier lassen sich echte Veränderungen bewirken. Die ersten Unternehmen, die sich weiblicher Sexualität annahmen, welche zuvor als Tabuthema gegolten hatte, verdienten damit ein Vermögen. Dasselbe gilt für jene Unterhalter, die sich trauten, die Grenzen dessen, was als angemessene Form von Unterhaltung gilt, hinauszuschieben. All jene wunderbaren Ketzer, die den Mut hatten, den größten Institutionen ihrer Zeit die Stirn zu bieten, haben die Welt auf eine Weise verändert, die wir kaum begreifen können.
    Fluchen Sie also weiterhin in der Kirche (egal in welcher) und bleiben Sie bei Ihren Ketzereien. Hören Sie nicht auf, unbequem zu sein, denn die Welt braucht Widerstände, und jede Veränderung schmerzt ein wenig. Wie bereits erwähnt, sind es die Punkte des Unbehagens, die das Potenzial für Veränderungen bergen. Als die katholische Kirche auf dem Gipfel ihrer Macht stand, war Ketzerei ein Verbrechen, für das man lebendig verbrannt werden konnte. Dies birgt ein erhebendes, verblüffendes Element. Die größte, mächtigste und reichste Organisation der Welt hielt Freidenker für so gefährlich, dass sie sich nicht damit begnügte, sie zu töten; sie mussten vielmehr vernichtet werden, damit andere potenzielle Ketzer davon abgeschreckt würden, etwas Ähnliches auch nur zu versuchen. Welch glorreiches Bild der ungehinderten Kraft des menschlichen Geistes!
    Hieraus erwächst gleichzeitig eine interessante Frage für unser modernes Zeitalter sowie für die Zukunft. Wie oft treffen wir heute noch auf einen solchen Widerstandswillen? 8 Wie oft trifft man innerhalb von Organisation noch auf
echten
Widerstand gegenüber neuen Ideen und ketzerischen Angestellten? Wenn die Mitarbeiter von Unternehmen berichten, dass neue Denkweisen nicht genügend Unterstützung fänden, dann meinen sie damit nicht, dass diese Ideen Verärgerung oder Unmut auslösten, sondern dass sie auf ein herzhaftes Gähnen, Achselzucken und allgemeine Gleichgültigkeit treffen und in der Folge im Sand verlaufen. Stellen wir daher die Angelegenheit mal auf den Kopf. Vielleicht ist ja gar nicht das Unternehmen langweilig und traditionell, sondern vielmehr die Ideen? Niemand reagiert mit einem wütenden oder irren Blick, niemand möchte einen auf dem Scheiterhaufen verbrennen … Die Ideen der Ketzer und Revolutionäre waren radikal: Dies lässt sich aus der schieren Gewalt ableiten, die man einsetzte, um sie niederzuschlagen, nicht aus der Tatsache, dass ihnen irgendein Komitee »Unterstützung« anbot.
    Wir brauchen heute Menschen, die die Grundfesten der Unternehmensstrukturen in nahezu gleicher Weise erschüttern können, wie es den frühen Ketzern mit der Kirche gelang – durch unmittelbare Einmischung und völliges Desinteresse für jede Art von Anpassung.
    Dasselbe gilt ganz allgemein für
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