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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen
Autoren: Alf Rehn
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anderes – die Bereitschaft,
Beschränkungen zu akzeptieren
.
    Wie viel ist noch mal 2 + 2? Wirklich?
    Ludwig Wittgenstein gilt bei vielen als der größte Philosoph der letzten 100 Jahre. Über sein Denken und dessen Verbindung mit Kreativität ließe sich manches schreiben, aber wir wollen uns hier auf einen bestimmten Aspekt konzentrieren. In seiner Arbeit stellte er zufällig eine der wichtigsten auf die Mathematik bezogenen Fragen überhaupt – eine Frage, die unmittelbar mit Regeln und deren Befolgung zu tun hat. Die Mathematik ist eine der am stärksten strukturierten menschlichen Denksysteme. Sie beruht auf strenger Logik und bildet die Grundlage fast aller Dinge, die wir als »rational« bezeichnen. Unsere Computer sind Maschinen, die nach mathematischen Regeln arbeiten, und der Glaube, dass sich unternehmerische Entscheidungen rational berechnen ließen, gründet auf der Mathematik. Wäre es nicht verrückt, wenn die Mathematik auf irgendwelchen blind akzeptierten Annahmen beruhte? Nun, tut sie aber!
    Wittgenstein stellte die folgende Frage: »Woher wissen wir, dass 2 + 2 = 4 ist?« Nun, sagt er, wir wissen es deshalb, weil wir die Additionsregeln erlernt haben. Doch er fährt fort: Wie haben wir die Additionsregeln erlernt? Antwort: Jemand hat sie uns beigebracht. Doch wie haben wir die Regel des Regelbefolgens erlernt? Nun, auch dies hat uns jemand beigebracht. Man könnte in gleicher Weise fortfahren, doch Sie haben das zugrunde liegende Problem sicher erkannt. Es gibt für das Regelbefolgenkeine endgültige, strikte Begründung, da man die Grundlage jeder Regel ad infinitum infrage stellen kann. Irgendwann müssen wir uns einfach zurücklehnen und akzeptieren, dass
die Dinge nun mal so sind
. Ohne diese Akzeptanz wäre jedes Lernen unmöglich. Wenn wir den Lernprozess untersuchen, den Kinder im Fach Mathematik durchlaufen, erkennen wir, dass sie im Wesentlichen lernen, das interne Regelwerk der Mathematik zu akzeptieren. Der Lehrer trichtert den Kindern eine Serie von Einzelpunkten, Regeln und Tabellen ein, und es kommt darauf an, dass jedes Kind diese verinnerlicht.
Und das ist völlig in Ordnung so .
Wenn wir beispielsweise ständig den Wert von p oder die Rechenmethode für die Aufgabe 8 × 9 hinterfragten, würden sich viele Dinge als unmöglich erweisen. Manchmal müssen wir das Programm einfach klaglos hinnehmen – ein Infragestellen erweist sich in einem solchen Fall als sinnlos. Dasselbe gilt für Innovationsarbeit. Bisweilen muss man einfach akzeptieren, dass man an der Entwicklung eines besseren MP3-Spielers arbeitet und beispielsweise nicht am Bau eines Teleskops!
     
    Die Entscheidung, diesen kühnen Schritt zu wagen und »Nein, wir meißeln das jetzt in Stein!« zu sagen, ist für eine Führungskraft oft viel schwieriger zu treffen, als wir glauben. Da es so viel leichter ist, endlose Sitzungen abzuhalten, in denen immer neue Vorschläge erarbeitet werden, bleiben viele Unternehmen in einem anhaltenden, abstrakten Veränderungsprozess gefangen, in dem das Bedürfnis nach mehr Kreativität ewig diskutiert wird, ohne dass jemals irgendetwas entschieden würde. Dies erklärt auch, warum so viele Unternehmen ständig und in zahlreichen Konferenzen über Veränderung reden, während Strategieentwicklung dort unerklärlicherweise ein Schattendasein fristet.
    Obwohl es äußerst paradox klingen mag,
müssen Führungskräfte imstande sein, die Ideenbildung auch einmal zu beenden
. Nicht auf eine negative Art und Weise, die künftige Ideen und Entwicklung unterdrückt, sondern durch eine Ansage folgenderArt: »Ignorieren wir doch mal, wie es sein könnte, und konzentrieren wir uns darauf, wie wir etwas bewegen können.« Natürlich fällt das schwerer, als lediglich Inputs zu sammeln, eine zusätzliche Brainstorming-Sitzung einzuberufen oder einen weiteren Kreativitätsexperten einzuladen, der eine motivationsfördernde Rede halten soll. Kein Wunder also, dass so mancher Manager vor diesem entscheidenden Element des Kreativprozesses zurückschreckt.
    Das Wissen der Künstler
    Kunst gehört zu jenen Dingen, von denen es oft heißt, dass man sie ernster nehmen solle, insbesondere in der angeblich seelenlosen Umgebung großer Konzerne. Vielfach hört man, dass es doch herrlich wäre, der Arbeitsweise von Künstlern nachzueifern, denen wir unterstellen, in Sachen Kreativität wahre Meister zu sein. Doch nur selten wird die Frage gestellt, was genau man von Künstlern eigentlich lernen könne.
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