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Gefährliche Ideen

Gefährliche Ideen

Titel: Gefährliche Ideen
Autoren: Alf Rehn
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Irgendwann führt dies zur Entstehung neuer Ideen, obwohl das Buch in diesem Punkt recht vage bleiben wird. Wallas hingegen war erfrischend ehrlich und bezeichnete diese Phase als »Illumination«, da er verdammt genau wusste, dass er sie im Grunde auch nicht verstand. Die Ideen müssen schließlich getestet und evaluiert werden und Handeln auslösen. Anders ausgedrückt: Sie müssen verifiziert werden.
    Das immergleiche Muster hat sich stets wiederholt, seit 1926! Seither ist viel passiert – Staaten sind entstanden und zerfallen, neue Branchen sind aufgeblüht, während andere kaputtgingen –, aber die Bücher über Kreativität zeigen immer noch eine verblüffende Ähnlichkeit mit denjenigen von anno dazumal.
    Kreativität, Halleluja …
    Traurig, aber wahr ist, dass Bücher über Kreativität nicht besonders kreativ sind, wobei das Wiederkäuen von Übungen nur das sichtbarste Symptom eines viel größeren Problems ist. Es ist gleichzeitig ein wichtiges Indiz dafür, wie Kreativität zum zahnlosen Tiger wurde, bis man sie schließlich für selbstverständlich hielt – als Ergebnis einer Kette von herzzerreißenden Anekdoten. Die meisten, wenn nicht alle Bücher über Kreativität reiten ewigdarauf herum, wie wichtig Kreativität ist, dass kreative Unternehmen erfolgreicher sind als unkreative oder welchen Zugewinn an Glück diejenigen verbuchen, die sich ganz der Kreativität verschreiben. Diesem hartnäckigen Insistieren, dem beständigen
Fordern
, man müsse der Kreativität einen Platz im eigenen Leben einräumen, haftet etwas Fanatisches an. Dazu gehört ebenso die Unterstellung, dass jeder, der einen anderen Weg einschlagen möchte, ein Versager ist.
    Die religiösen Töne, die in der Kreativitätsbranche allgegenwärtig sind, erschallen hier besonders laut. Entweder man checkt es oder man ist eine verlorene Seele. Unternehmen, die noch nicht erleuchtet wurden, sind fehlgeleitet und sollten entweder bekehrt oder gedemütigt werden. Und wehe, irgendjemand stellt den Begriff der Kreativität infrage! Niemals und nirgendwo wird man dazu ermutigt. Die selbstgerechten Missionare in dieser besonderen Angelegenheit bleiben die Antwort schuldig, wenn man sie fragt, ob es denn nicht auch mit etwas weniger Eifer ginge, aber ebenso wenig sind sie bereit, jedwede Kritik oder anderslautende Ansichten zu akzeptieren. Den meisten Autoren zu diesem Thema ist die Kreativität ebenso heilig wie Jesus, Buddha oder Allah, weshalb man alles kritisieren darf, solange man nicht versucht, kreativ mit Kreativität umzugehen. Es handelt sich um ein umfassendes Glaubenssystem, in dem die Kreativität das große, nicht hinterfragte Gute darstellt.
    Mein Problem ist: Leider fällt es mir schwer, das einfach so hinzunehmen. Ich bin ein geborener Skeptiker und betrachte daher auch das Konzept der Kreativität mit einem skeptischen Blick. Das Argument, Kreativität könne jedes Problem lösen, überzeugt mich nicht. Ich glaube nicht daran, dass eine Organisation, die ausschließlich aus kreativen Menschen besteht, ein erstrebenswertes Ziel oder auch nur möglich ist. Auch wenn es zynisch klingen mag: Ich halte es keineswegs für erwiesen, dass Kreativitätan sich stets vorteilhaft wäre. Vielmehr fallen mir mühelos zahlreiche Situationen ein, in denen Kreativität sehr schädlich ist.
Doch Kreativität hat sich in eine Religion verwandelt
, die Blasphemien dieser Art nicht akzeptiert. Als Ketzer stehe ich daher griesgrämig am Rande eines Spielfelds, auf dem ich mich gerne und mit Freuden tummeln würde. Aber das hat auch sein Gutes, denn wie Art Kleiner in seinem Buch
The Age of Heretics
erläutert, brauchen wir solches Denken, um unsere Fähigkeiten zu entwickeln.
     
    Ein Ketzer ist ein Mensch, der eine Wahrheit erkennt, die dem konventionellen Gedankengut seiner Institution widerspricht – und der dennoch beiden treu bleibt: seiner Institution und der Wahrheit. Ketzer sind nicht Abtrünnige, sie wollen ihre »Kirche« nicht verlassen. Vielmehr streben sie einen Wandel innerhalb der Kirche an, damit diese auf die Wahrheiten stößt, die sie teilweise erkannt haben.
     
    Art Kleiner
    Die Rückeroberung der Kreativität
    Als Ketzer liebe ich also die Kreativität. Das klingt vielleicht komisch aus dem Munde von jemandem, der gerade ein paar Seiten damit gefüllt hat, sie zu kritisieren. Doch tatsächlich bin ich fasziniert und entzückt von kreativem Denken, kreativen Menschen und kreativen Organisationen. Allerdings lehne ich
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