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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
Autoren: Hanna Dietz
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verdammter Stalker. Dieser Widerling. Jetzt löste er seine starre Haltung und schaute auf die Uhr. Die anderen Schülerinnen wurden eine nach der anderen mit protzigen Autos abgeholt. Aber er interessierte sich nicht für sie. Dabei hatten die auch massig Geld. Er interessierte sich nur für mich. Aber heute würde er mich nicht kriegen und mich in mein langweiliges, aber sicheres Zuhause treiben. Jetzt verließ er seinen Posten im Schatten und strebte auf den Vordereingang zu. Mist! Der Typ war so dreist, er würde sogar hier reinkommen! Es gab für mich nur eine Lösung: Abhauen. Auf meinem Rundgang durch das Gebäude hatte ich schon gecheckt, dass es im Erdgeschoss einen Hinterausgang gab, aber der war verschlossen. Mir blieb also nur eine Möglichkeit: die Toiletten. Die Fenster hatte ich mir schon angesehen, sie waren leicht zu öffnen. Dummerweise war ich im ersten Stock. Aber runter ins Erdgeschoss kam ich nicht mehr. Denn ich hörte schon das Pfeifen, das durch die Eingangshalle schallte. Dieser Typ pfiff, als ob er nicht das Geringste zu befürchten hätte. Als ob er so überlegen wäre, dass er sich nicht mal verstecken bräuchte! Und dann pfiff er auch noch die Melodie aus »Der Pate«, dem Lieblingsfilm meines Vaters! Hallo?! Ging es noch klischeemäßiger?
    Ich sprintete zu den Toiletten, die sich jeweils auf halber Treppe befanden und vermutlich irgendwann mal Dienstbotenzimmer waren. Ich öffnete das Sprossenfenster. Von hier aus sah man den hinteren Teil des Geländes, den Wirtschaftshof, oder anders gesagt: Das hässliche Zeug, was die erlauchte Schülerschaft natürlich nichts anging. Ein Lagerhaus, fünf Müllcontainer und anderer Kram. Weiter hinten lag ein Parkplatz, vermutlich für die Lehrer. Leider waren es von hier oben bestimmt drei Meter bis zum Boden. Mir wurde ein bisschen mulmig. Weiter rechts sah ich eine stählerne Feuertreppe, die aus dem zweiten Stock herunter in den Hof führte. Links von mir standen die riesigen Müllcontainer. Schade, eindeutig zu weit weg. Und wenn ich mich an dem Ledergurt meiner Tasche abseilen würde? Stabil genug wäre der, ich sag nur: sonnengetrocknetes Premium-Rindsleder. Aber leider war er lediglich knapp einen halben Meter lang. Das brachte nichts. Plötzlich sah ich unten Rauch aufsteigen und jemanden zwei Schritte nach vorne gehen. Es war meine Klassenkameradin Nora, die Jahrgangsbeste, die hinter dem Müllcontainer rauchte. Sie schaute zu mir hoch. »Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte sie und blies den Rauch durch die Nase aus.
    »Wäh«, keuchte ich, unsere Französischlehrerin imitierend.
    »Très bien«, antwortete sie und machte Anstalten, den großen Papiercontainer vor das Fenster zu rollen. Ihre braunen kurzen Haare waren anders als auf dem Klassenbesten-Foto zerzaust, was ihr eine leicht verwegene Ausstrahlung gab. Vielleicht war sie doch nicht so eine langweilige Streberin. Ich hörte das Pfeifen vom Flur und eine Welle der Panik überkam mich. Verdammt! Zu spät!
    Schnell flitzte ich in eine der Toilettenkabinen, sprang mit den Füßen auf den Klodeckel und hockte mich hin, in der Hoffnung, dass er auf den alten Offenes-Fenster-Trick hereinfallen würde.
    Die Tür zur Toilette öffnete sich. Mein Herz schlug so heftig, dass ich dachte, das würde mich verraten, aber er rannte zum Fenster und sah hinaus. Ich hörte Noras Stimme, er stöhnte auf, dann Schritte, Türenschließen, Ruhe. Ich wartete noch eine Minute, dann wagte ich mich raus. Ich linste vorsichtig über das Treppengeländer in die große Eingangshalle.
    Er stand im Eingang. Ich sah seine Silhouette im Gegenlicht, er redete mit zwei jüngeren Mädchen und deutete nach oben und nach draußen. Die Mädchen zuckten mit den Schultern. Er warf einen Blick nach oben. Hatte er mich gesehen? Schnell wich ich zurück und rannte los. Weiter nach oben. Die Feuertreppe, die ich eben aus dem Fenster gesehen hatte, würde mich retten. Im zweiten Stock versuchte ich mich zu orientieren. Das war gar nicht so einfach. Ich rannte weiter, bog um die Ecke nach rechts, in den Marie-Curie-Trakt. Durch ein Fenster sah ich den Wirtschaftshof, das war schon mal gut, die Feuertreppe musste also von einem der Zimmer auf der linken Seite dieses Gebäudeteils abgehen. Dort gab es drei Türen. Die ersten beiden waren abgeschlossen, doch die dritte war nur angelehnt. Wenn ich Glück hätte, wäre das der richtige Raum mit dem Zugang zur Feuertreppe. Ich stieß die Tür auf. Zu meiner Erleichterung war
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