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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
Autoren: Hanna Dietz
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Knochen, aber ohne das kleinste Fitzelchen Fleisch auf den Rippen, geschweige denn einem Messer in der Brust.
    In meinem Kopf drehte sich alles. »Aber Sie müssen mir glauben!«, rief ich. »Eben war die Leiche noch viel… lebendiger.«
    An den Mienen merkte ich, dass das nicht wirklich geholfen hatte. »Sie hat da gelegen, auf dem Stuhl!«, beharrte ich eifrig.
    »Aha, sie hat also auf dem Stuhl gelegen«, sagte von Cappeln frostig.
    »Oder gesessen. Mit so komisch verdrehten Beinen.«
    Von Cappeln sah mich an, als wäre ich eine der zehn biblischen Plagen. Aber so schnell gab ich nicht auf, ich wusste, was ich wusste: »Und riechen Sie das nicht? Dieser Gestank!« Ich wedelte mit den Armen und merkte selber, wie schrill meine Stimme klang.
    »Das ist Parfüm!«, erwiderte von Cappeln verächtlich. »Mein Gott, jedes zweite Mädchen hier sprüht sich ein wie eine mittelalterliche Hofkonkubine, die nur einmal im Jahr badet. Also wirklich, Natascha…«
    Jetzt, wo sie das sagte, merkte ich auch, dass jemand einfach nur eine Überdosis von einem dieser aufdringlichen Parfüms versprüht hatte, die ich so hasste, besonders die mit Moschus und Patchouli.
    »Ich räume sie weg, Frau Direktor?«, meldete sich nun der Hausmeister wieder zu Wort.
    Von Cappeln nickte gnädig. Er fasste die klapprige Gesellin unter den Achseln und trug sie zu einem großen Wandschrank, wo er sie auf einen Ständer hängte. In meinem Kopf kreisten die Gedanken umher wie die Geier in der Wüste auf der Suche nach Aas. Ich wusste plötzlich überhaupt nichts mehr. Von Cappeln baute sich jetzt mit ihren knappen eins sechzig vor mir auf, ihr Kopf wackelte auf dem langen Hals, die grauen Augen durchbohrten mich. Sie musterte mich drei Sekunden, ohne ein Wort zu sagen. Enzo, der bis jetzt geschwiegen hatte, stellte sich hinter mich. »Natascha«, sagte von Cappeln, plötzlich sehr leise. »Wir sind eine anständige Schule voller pflichtbewusster Mädchen und gewissenhafter, professioneller Lehrer. Wir haben einen sehr guten Ruf über die Landesgrenze hinaus.« Die Worte aus ihrem Mund wehten mir in einer Wolke aus eisigem Zorn entgegen. Ich wurde gegen meinen Willen rot.
    Das Klügste wäre, jetzt diese Standpauke über mich ergehen zu lassen, mich zu entschuldigen und morgen in die Schule zu kommen, als wäre nichts passiert.
    »Einen verwöhnten Störenfried wie Sie können wir hier absolut nicht gebrauchen«, fuhr sie mit entsetzlich tonloser Stimme fort.
    Es wäre das Klügste gewesen, ja. Nur leider kann ich es nun mal absolut nicht leiden, ungerecht behandelt zu werden. Besonders nicht von einer arroganten Kuh, die überhaupt keine Ahnung hat, was in ihrer Schule los war!
    »Frau von Cappeln«, antwortete ich. Ich kriegte den Tonfall nicht ganz so eisig hin, dazu saß der Schock noch zu tief, aber der Versuch zählte. »Sie mögen eine Schule voller pflichtbewusster Mädchen und Lehrer haben. Aber Sie haben auch eine Schule mit einer Leiche.«
    Ich meinte, eine besänftigende Hand auf meiner Schulter zu spüren, die nur von Enzo sein konnte, aber verdammt noch mal, er war mein Bodyguard und nicht mein Babysitter. Ich schüttelte die Hand ab und fuhr fort: »Irgendjemand hier ist weder anständig noch gewissenhaft. Denn irgendjemand hier hat dieses Mädchen getötet! Und wenn mir keiner glaubt, werde ich eben selbst herausfinden, wer das war, da können Sie Gift drauf nehmen.«
    Direktorin von Cappeln schnaubte verächtlich. »Natascha, damit eines klar ist. Wenn Sie es noch einmal wagen, in meiner Schule mit Ihrer Wichtigtuerei für Ärger zu sorgen, dann werde ich Sie höchstpersönlich vor die Tür setzen. Und dann können Sie zu Hause hocken, Ihr Haar bürsten und darüber nachdenken, was für ein Mensch Sie sind.«
    Damit drehte sie sich um und stakste davon. Aber da ich nun mal auch gerne das letzte Wort habe (Fehler Nummer acht!), rief ich ihr hinterher: »Nee, nee, nee, Frau von Cappeln. So wird das nicht laufen. Garantiert nicht. Weil ich die Leiche finde! Und dann werden Sie ja sehen, wer hier recht hat.«
    Sie drehte sich nicht mal mehr um.

3
    Also, eines ist ja wohl sonnenklar: Den Wettbewerb Schlimmster-erster-Schultag-aller-Zeiten hatte ich wohl gewonnen. Mit einer schrecklichen Schulleiterin wäre ich klargekommen, mit zickigen Schulkameradinnen auch. Aber nicht mit einer Leiche. Ich hatte eine Leiche gesehen! Ich konnte es immer noch nicht fassen. Das arme Mädchen. So jung und schon so tot! Mir lief ein Schauer über den
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