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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
Autoren: Hanna Dietz
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Prinzessin reagierte nicht darauf, deswegen stieß die Tussi sie leicht mit dem Ellenbogen an. Die Prinzessin hob blasiert eine Augenbraue und zeigte mir damit an, dass sie des Spiels überdrüssig war, und widmete ihre Aufmerksamkeit dem Zettel. Die Tussi kicherte leise. Die Prinzessin zeigte mit kurzem Nicken an, dass sie die Information zur Kenntnis genommen hatte. Dann schaute sie wieder nach vorne, knapp an mir vorbei. Eines war jetzt schon klar: Das hier würde nicht leicht werden.
    Meinhilde von Cappeln hatte sich während des wenige Sekunden dauernden Check-and-Classifyings leise mit dem Lehrer unterhalten und stellte mich jetzt in aller Eile nur als die neue Mitschülerin vor und verschwand grußlos.
    »Hallo«, sagte ich. »Ich heiße Natascha.«
    Vereinzeltes Hallo-Gemurmel, ansonsten eisiges Schweigen. Mmhh. Nicht dass ich eine stürmische Begrüßung erwartet hätte, aber die Stille war schon unangenehm. Na ja. Immerhin lachte keiner.
    »Hallo Natascha«, begrüßte mich der Lehrer freundlich. Kariertes Hemd, Cordjackett, Bundfalten-Jeans, Dreitagebart, raspelkurzes Resthaar auf dem Kopf, Lachfalten um die Augen, eine Ausstrahlung wie ein lustig knisterndes Kaminfeuer. »Ich bin Herr Nowak, Ihr neuer Mathelehrer. Willkommen bei uns.«
    Er zeigte auf einen leeren Platz in der ersten Reihe neben der Nägelkauerin und dann auf einen freien Stuhl in der zweiten Reihe, drei Plätze neben der Schwarzhaarigen, die mich feindselig musterte. »Hier vorne sitzen die Mädchen, die Mathe mögen. Weiter hinten logieren die, die Mathe am liebsten ausrangieren würden wie ein Outfit der letzten Saison, nicht wahr, Milena?«
    »Sie sind mal wieder äußerst amüsant, Herr Nowak«, bemerkte Milena, die Prinzessin, mit blasiertem Augenaufschlag. Der hellbraune Pagenkopf neben ihr offenbarte sich als Milenas treue Dienerin, indem sie den Lehrer ebenfalls entrüstet anstarrte.
    »Stets zu Diensten, Milena.« Nowak grinste. »Wo möchten Sie lieber sitzen, Natascha?«
    »Ich mag Mathe«, sagte ich.
    »Oh.« Herr Nowak zog erfreut die Augenbrauen in die Höhe. Die Nägelkauerin in der ersten Reihe zog ihre Schulbücher auf ihre Seite des Pults.
    »Aber ich setze mich trotzdem nach hinten«, sagte ich und ging zu dem Stuhl in der zweiten Reihe. Auf dem anderen Platz hätte ich genau vor Milena gesessen. Und ich bevorzuge es, meinen Gegnern nicht den Rücken zuzukehren.
    Die erste Hürde hatte ich genommen. Ich saß. Meine Sitznachbarin zur Linken nickte mir freundlich zu und stellte sich als Diana vor. Meine Sitznachbarin zur Rechten ignorierte mich. Sie hieß Heidrun Zumke, wie ich mit einem Blick auf ihr Heft feststellte, und war eine Romantikerin – zumindest modisch. Sie trug eine halb durchsichtige Seidenbluse mit Rosenaufdruck, hatte eine süße Stupsnase und eine dieser Gretchenfrisuren, die als trendy galten, seitdem irgendein unterbeschäftigter Stylist tatsächlich prominente Opfer für dieses Haardesaster gefunden hatte: geflochtene Zöpfe, die kronenartig über den Kopf gelegt werden und sogar Salma Hayek in eine altjungferliche Landpomeranze verwandeln. Aber Heidrun Zumke trug die Gretchenfrisur in Brünett mit einer gewissen Würde, jedenfalls bis sie meinen kurzen Blick darauf bemerkte und anfing, nervös an heraushängenden Strähnen zu zubbeln, die Augen starr nach vorne gerichtet.
    Herr Nowak erklärte derweil die Hessesche Normalform, eine Formel zur Berechnung von Abständen. Ich nahm Schulheft und Stift aus meiner Tasche und versuchte, mich zu konzentrieren. Doch dann schnappte ich von der Reihe hinter mir die Wörter »Chauffeur« und »heiß« auf. Das interessierte mich natürlich spontan viel mehr als irgendwelche mathematischen Formeln. Ich lehnte mich nach hinten, kippte den Stuhl auf die beiden Hinterbeine, um mitzukriegen, was mit dem heißen Chauffeur so los war. Ausgerechnet als das Wort »küssen« fiel, sprach mich Herr Nowak an. »Natascha«, sagte er und hielt dann die Luft an, weil mir plötzlich das Gleichgewicht abhandenkam und ich nach hinten kippte. Schon sah ich mich rücklings aufs Parkett donnern, kein guter Einstand in der neuen Klasse, eine abrupte Gewichtsverlagerung musste her. Ich schleuderte in letzter Sekunde die Beine nach vorne wie auf der Schaukel und riss gleichzeitig die Arme wie beim Brustschwimmen ausgebreitet nach hinten. Ich habe ziemlich lange Arme, und es klappte. Allerdings hatte ich leider keine Zeit mehr gehabt, selbst eine Abstandsberechnung durchzuführen. Es
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