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Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben

Titel: Gefaehrliche Gedanken - Zu schoen zum sterben
Autoren: Hanna Dietz
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wer Caroline Hersch…«
    »Eine deutsche Astronomin des 19. Jahrhunderts«, unterbrach ich. »Anfangs hat sie ihren Bruder Wilhelm unterstützt, der den Uranus entdeckt hat, später hat sie eigenständig geforscht und mehrere Kometen entdeckt.«
    »Na, sieh mal einer an!« Sie drehte sich erstaunt zu mir um. »Vielleicht können Sie es mit unserer Hilfe doch noch schaffen, dass Ihr Vater stolz auf Sie ist.« Sie sah mich mit herablassendem Lächeln an und ich merkte, wie die Wut in mir hochstieg. Ich bin nämlich… Moment mal, sollte ich tatsächlich sechs Fehler haben? Sieht ganz so aus. Mist. Na ja. Hab ich mir nicht ausgesucht. Ist eben so. Also, Fehler Nummer sechs ist: Ich bin allergisch gegen Arroganz. Extrem allergisch. Wenn mich jemand so von oben herab behandelt wie diese eingebildete Schulleiterin, die sich dazu noch in Familienangelegenheiten einmischte, dann bringt mich das in null Komma nix auf die Palme. Und dort oben kann ich überhaupt nicht mehr klar denken!!! Ganz dumme Eigenschaft von mir.
    Ich trat einen Schritt näher an sie heran. »Nur zu Ihrer Information«, sagte ich und versuchte, den hochnäsigen Tonfall einer Freundin meiner Mutter zu imitieren, die sich ständig über ihr Personal empört (und die ich deswegen überhaupt nicht leiden kann). »Mein Vater ist immer stolz auf mich, dafür habe ich Ihre Hilfe nun wirklich nicht nötig.«
    Von Cappeln lächelte knapp. Meine gespielte Überheblichkeit prallte an ihrer echten Aufgeblasenheit total ab. Sie sah mir in die Augen und schüttelte mitleidig den Kopf. Jetzt, wo sie so nah vor mir stand, nahm ich einen schwachen Hauch Alkoholfahne unter dem Eukalyptusgeruch wahr. Na, sieh mal einer an!
    »Natascha«, sagte sie abfällig, »Sie wissen doch sehr genau, wie ich das meine.«
    »Nein, weiß ich nicht.« Klar wusste ich es.
    »Na, der Vorfall!«
    Ich funkelte sie stumm an.
    »Der Vorfall, der Ihnen den Schulverweis eingebracht hat. Der Ihren armen Vater in diese Situation ...«
    Klick!, machte es in meinem Kopf. Sicherung rausgesprungen, Verstand ausgeschaltet.
    »Wissen Sie, Frau von Cappeln«, hörte ich mich sagen. »Ich könnte die Arroganz, mit der Sie mich behandeln, zu einem Vorfall machen. Ich könnte Ihre eigenen Probleme zu einem Vorfall machen. Wollen Sie das, Frau von Cappeln?«
    Ihre Kinnlade fiel runter, sie wich vor mir zurück, als wäre ich der Teufel persönlich. Klick! Verstand wieder eingeschaltet. Und ich ärgerte mich augenblicklich über mich selbst. Verdammt noch mal, reiß dich doch zusammen! Der Schulleiterin drohen, also wirklich, Sander, du tickst ja wohl nicht richtig. Du musst hier keine Freunde finden. Aber du solltest es echt vermeiden, dir Feinde zu machen. Und das nach gerade mal einer Viertelstunde! Noch bevor du überhaupt deine neuen Klassenkameradinnen kennengelernt hast.
    Schweigend stiegen wir die breite Treppe hinauf bis in den zweiten Stock, wo mein Klassenraum lag. Die letzten Meter herrschte eiserne Stille und meine Nervosität stieg, als wir die Tür zu meinem neuen Klassenzimmer erreicht hatten. Ich mag nach außen hin cool wirken. Aber das bin ich natürlich nicht immer. Auch für mich ist es nicht leicht, vor einen Haufen neuer Leute zu treten. Zwar fühlt sich der Mensch gerne wie die Krone der Schöpfung, die mit den niederen Instinkten der Tierwelt gar nichts mehr am Hut hat. Doch wenn ein neues Mitglied zu einer Gemeinschaft stößt, ist alles, was im ersten Moment abläuft, reine Biologie. Besonders unter rivalisierenden Geschlechtsgenossinnen. Da wirbelt ein neues Mitglied die Hackordnung kräftig durcheinander. Und wenn ich auftauche, schrillen erfahrungsgemäß bei sämtlichen Alphaweibchen die Alarmglocken. Denn – jetzt kommt’s, nicht erschrecken! – ich sehe gut aus. Ist eben so. Glück gehabt. Ich bin nicht perfekt, aber trotzdem – ich weigere mich einfach, mein Aussehen zu leugnen, denn das wäre albern. Dass ich damit gegen jede Norm verstoße, ist mir natürlich klar. Manchmal scheint es mir nämlich so, als ob das Jammern über das eigene Aussehen oder das eigene Können irgendeine perverse weibliche Pflicht wäre. Dieser Logik zufolge müsste ich den ganzen Tag über meine abstehenden Ohren und zu kräftigen Oberschenkel und die kleine Lücke zwischen meinen Schneidezähnen stöhnen. Mach ich aber nicht. Ich habe beschlossen, mich klasse zu finden, genau so, wie ich bin. Und deswegen fühlen sich die anderen angegriffen und noch unsicherer. Diese Unsicherheit ist dann
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