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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898)
Autoren: Theodor Fontane
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Leben!
     
    Dich ruf' ich, der das Kleinste du
    In deinen Schutz genommen,
    Gönn meinem Herzen Halt und Ruh,
    Gott, laß mich nicht verkommen;
     
    Leih mir die Kraft, die mir gebricht,
    Nimm weg, was mich verwirret,
    Sonst lösch es aus, dies Flackerlicht,
    Das über Sümpfe irret!
Ein Jäger
     
    Ich kenn einen Jäger, man heißt ihn »Tod«:
    Seine Wang ist blaß, sein Speer ist rot,
    Sein Forst ist die Welt, er zieht auf die Pirsch,
    Und jaget Elen und Edelhirsch.
     
    Im Völkerkrieg, auf blutigem Feld,
    Ist's, wo er sein Kesseltreiben hält;
    Haß, Ehrsucht und Geizen nach Ruhmesschall
    Sind Treiber im Dienste des Jägers all.
     
    Nicht fürcht ich ihn selber, wie nah er auch droht,
    Doch wohl seine Rüden: Gram, Krankheit und Not,
    Die Meute, die stückweis das Leben zerfetzt
    Und
zögernd
uns in die Grube hetzt.
     
     
Alles still!
    Alles still! Es tanzt den Reigen
    Mondenstrahl im Wald und Flur,
    Und darüber thront das Schweigen
    Und der Winterhimmel nur.
     
    Alles still! Vergeblich lauschet
    Man der Krähe heisrem Schrei,
    Keiner Fichte Wipfel rauschet
    Und kein Bächlein summt vorbei.
     
    Alles still! Die Dorfes-Hütten
    Sind wie Gräber anzusehen,
    Die, von Schnee bedeckt, inmitten
    Eines weiten Friedhofs stehn.
     
    Alles still! Nichts hör ich klopfen
    Als mein Herz durch die Nacht; –
    Heiße Tränen niedertropfen
    Auf die kalte Winterpracht.
     
     
Einem Kranken
    Über deine Schwelle
    Gestatte den Gruß
    Leichter, spielender Ritonelle.
     
    Brennende Nessel –
    Wie lange noch kettet dich
    Der Krankheit Fessel?
     
    Dunkle Verbenen –
    Die Nacht ist lang.
    Oh, wie die Stunden sich dehnen!
     
    Apfelblüte –
    So blüh auch dir
    Ein trost im Gemüte.
     
    Nickende Veilchen –
    Der Frühling naht
    Über ein Weilchen.
     
    Blaue Cyanen –
    Siehe, Genesung kommt
    Und schwingt die Fahnen.
     
    Rankende Winden –
    Und du selber schreitest hinaus,
    Sie zum Kranze zu binden.
     
     
Frühling
    Nun ist er endlich kommen doch
    In grünem Knospenschuh;
    »Er kam, er kam ja immer noch«,
    Die Bäume nicken sich's zu.
     
    Sie konnten ihn all erwarten kaum,
    Nun treiben sie Schuß auf Schuß;
    Im Garten der alte Apfelbaum,
    Er sträubt sich, aber er muß.
     
    Wohl zögert auch das alte Herz
    Und atmet noch nicht frei,
    Es bangt und sorgt: »Es ist erst März,
    Und März ist noch nicht Mai.«
     
    O schüttle ab den schweren Traum
    Und die lange Winterruh:
    Es wagt es der alte Apfelbaum,
    Herze, wag's auch
du.
     
     
Mittag
    Am Waldessaume träumt die Föhre,
    Am Himmel weiße Wölkchen nur,
    Es ist so still, daß ich sie
höre
,
    Die tiefe Stille der Natur.
     
    Rings Sonnenschein auf Wies' und Wegen,
    Die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach,
    Und doch, es klingt, als ström' ein Regen
    Leis tönend auf das Blätterdach.
     
     
Der erste Schnee
    Herbstsonnenschein. Des Winters Näh'
    Verrät ein Flockenpaar;
    Es gleicht das erste Flöckchen Schnee
    Dem ersten weißen Haar.
     
    Noch wird – wie wohl von lieber Hand
    Der erste Schnee dem Haupt –
    So auch der erste Schnee dem Land
    Vom Sonnenstrahl geraubt.
     
    Doch habet acht! mit einem Mal
    Ist Haupt und Erde weiß,
    Und Liebeshand und Sonnenstrahl
    Sich nicht zu helfen weiß.
     
     
Das Fischermädchen
    Steht auf sand'gem Dünenrücken
    Eine Fischerhütt' am Strand;
    Abendrot und Netze schmücken
    Wunderlich die Giebelwand.
     
    Drinnen spinnt und schnurrt das Rädchen,
    Blaß der Mond ins Fenster scheint,
    Still am Herd das Fischermädchen
    Denkt des letzten Sturms und – weint.
     
    Und es klagen ihre Tränen:
    »Weit der Himmel, tief die See,
    Doch noch weiter geht mein Sehnen,
    Und noch tiefer ist mein Weh.«
     
     
Verlobung
    Es paßt uns nicht die alte Leier
    In unsren jungen Liebesrausch,
    Wir denken und wir fühlen freier
    Und wollen's auch beim Ringetausch;
    Der Treue Pfand, zu dieser Stunde
    Empfang's in perlend-goldnem Wein
    Und laß den Ring auf Bechers Grunde
    Dir Sinnbild meines Lebens sein.
    Laß übersprudeln mich und freue
    Der Kraft dich, die da schäumt und gärt,
    Denn innen, wie dies Bild der Treue,
    Lebt meine Liebe unversehrt.
     
     
Winterabend
    Da draußen schneit es: Schneegeflimmer
    Wies heute mir den Weg zu dir;
    Ein tret' ich in dein traulich Zimmer,
    Und warm ans Herze fliegst du mir –
    Ab schüttl' ich jetzt die Winterflocken,
    Ab schüttl' ich hinterdrein die Welt,
    Nur leise noch von Schlittenglocken
    Ein ferner Klang herübergellt.
     
    »Nun aber komm, nun laß uns plaudern
    Vom eignen Herd, von Hof und
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