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Gedichte (Ausgabe 1898)

Gedichte (Ausgabe 1898)

Titel: Gedichte (Ausgabe 1898)
Autoren: Theodor Fontane
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    Oder: »Der Tote, hat er Erben?
    Es ist erstaunlich, wie viele jetzt sterben.«
5. Kirchenumbau
     
    (Bei modernem Gutswechsel)
     
    Spricht der Polier: »Nu bloß noch das eine:
    Herr Schultze, wohin mit die Leichensteine?
    Die meisten, wenn recht ich gelesen habe,
    Waren alte Nonnen aus ›Heiligen Grabe‹.«
     
    »Und Ritter?«
     
    »Nu Ritter, ein Stücker sieben,
    Ich hab ihre Namens aufgeschrieben,
    Bloß, wo sie gestanden, da sind ja nu Löcher:
    1 Bredow, 1 Ribbeck, 2 Rohr, 3 Kröcher,
    Wo soll'n wir mit hin? wo soll ich sie stell'n? «
     
    »Stellen? Nu gar nich. Das gibt gute Schwelln,
    Schwellen für Stall und Stuterei,
    Da freun sich die Junkers noch dabei.«
     
    »Und denn, Herr Schultze, dicht überm Altar
    Noch so was vergoldigt Kattolsches war,
    Maria mit Christkind ... Es war doch ein Jammer.«
     
    »Versteht sich. In die Rumpelkammer!«
6. Wie man's machen muß
     
    Zwei- oder dreimal mußt' er vor's Messer,
    Dann war er durch und ein Durchschnittsassesser.
     
    Im übrigen war er ein Pfiffikus:
    »Eine Spezialität man wählen muß.«
     
    Und endlich hat er sich entschieden:
    ›Das Durchfahrtsrecht in Krieg und Frieden.‹
     
    Er las dreiunddreißig fremde Werke,
    Broschüren wurden seine Stärke.
     
    Traten dann Konferenzen zusammen
    Und stand der Streit in hellen Flammen
     
    Und kam's, daß man keinen Ausweg sah,
    So hieß es: »Ist kein Dalberg da?
     
    Warum uns zanken, quälen, schlagen,
    Assessor Null wird uns alles sagen.«
     
    Und wirklich, Null wird zugezogen,
    Es legen sofort sich des Streites Wogen,
     
    Ein Titel schreitet jetzt vor ihm her,
    Null ist schon lange Null nicht mehr.
     
    Jüngstens empfing er den siebenten Orden,
    Ist aber drum nicht schöner geworden.
7. Erfolganbeter
     
    Nie hab' ich ein dummeres Stück gelesen.
    »Das Haus ist ausverkauft gewesen.«
     
    Farbe, Linien, alles verschwommen.
    »Die Jury hat es angenommen.«
     
    Ein Skandal ist seine Art zu leben.
    »Der Botschafter hat ihm ein Fest gegeben.«
     
    Glauben Sie mir: er ist ein Kujon.
    »Hat aber eine Taler-Million.«
8. Such nicht, wie's eigentlich gewesen
     
    Such nicht, wie's eigentlich gewesen,
    Wolle nicht in den Herzen lesen.
     
    Sieht's freundlich aus, nimm's freundlich an,
    Nimm den Biedertuer als Biedermann.
     
    Alle Flügelmänner auf Sammellisten,
    Nimm sie hin als Musterchristen.
     
    Wenn sie nur
geben
beim Liebeverkünden,
    Forsche nicht nach den letzten Gründen.
9. Nur nicht loben
     
    Schreibt wer in Deutschland historische Stücke,
    So steht er auf der Schiller-Brücke.
     
    Macht er den Helden zugleich zum Damöte,
    So heißt es: Egmont, siehe Goethe.
     
    Schildert er Juden, ernst oder witzig,
    Ist es Schmock oder Veitel Itzig.
     
    Schildert er einige hübsche Damen,
    Heißt es: Dumas ... Ehebruchsdramen.
     
    Jeder Einfall, statt ihn zu loben,
    Wird einem andern zugeschoben.
     
    Ein Glück, so hab' ich oft gedacht,
    Daß Zola keine Balladen gemacht.
Dolor Tyrannus
     
    Und Dolor Tyrannus also sprach:
    »Ihr lieben Ärzte, gemach, gemach,
    Immer enger wollt ihr mich umziehn
    Mit Opium, Morphium, Kokaïn,
    Immer reicher stellt sich euch zur Wahl
    Äther, Chloroform, Chloral,
    Und doch, ob Brom, ob Jod, ob Od,
    Der Schmerz ist ewig wie der Tod.«
     
     
Schlaf
    Nun trifft es mich, wie's jeden traf,
    Ich liege wach, es meidet mich der Schlaf,
    Nur im Vorbeigehn flüstert er mir zu:
    »Sei nicht in Sorg', ich sammle deine Ruh',
    Und tret' ich ehstens wieder in dein Haus,
    So zahl' ich alles dir auf einmal aus.«
     
     
Ausgang
    Immer enger, leise, leise,
    Ziehen sich die Lebenskreise,
    Schwindet hin, was prahlt und prunkt,
    Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben,
    Und ist nichts in Sicht geblieben
    Als der letzte dunkle Punkt.
     
     
Butterstullenwerfen
    Es fliegt ein Stein (die Hand warf ihn gut)
    Kräftig, waagrecht über die Flut.
     
    Eine Säule steigt auf, und der Sonne Schein
    Malt einen Regenbogen hinein.
     
    Und weiter, ein zweites und drittes Mal,
    Erhebt sich der siebenfarbige Strahl.
     
    Aber je weiter vom Ufer entfernt,
    Der Stein im Fluge das Fliegen verlernt.
     
    Eine Schwere zieht ihn, es ebbt seine Kraft,
    Der Strahl ermattet und erschlafft.
     
    Ein Kräuseln noch einmal, ein Tropfen blinkt,
    Und dann Ruh' und Stille – der Stein versinkt.
     
     
Meine Gräber
    Kein Erbbegräbnis mich stolz erfreut,
    Meine Gräber liegen weit zerstreut,
    Weit zerstreut über Stadt und Land,
    Aber all in märkischem Sand.
     
    Verfallene Hügel, die Schwalben
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