Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gedenke deiner Taten

Gedenke deiner Taten

Titel: Gedenke deiner Taten
Autoren: Lisa Unger
Vom Netzwerk:
Arbeit redete. Irgendwann fühlte man sich wie eine Kopie seiner selbst, wie ein qualitativ minderwertiger, verwässerter Abklatsch.
    Sie blieb lange auf, flog lange Strecken, aß mehr und ungesünder als zu Hause. Zum Glück wurde sie diesmal von Sean begleitet. Die Kinder waren bei seiner Mutter. Wenn sie allein unterwegs war, fühlte Kate sich wie ein Astronaut, der nur durch ein dünnes Kabel mit der Raumstation verbunden ist und einsam durchs All treibt.
    Mit so viel Aufmerksamkeit hatte sie nicht gerechnet. Aber der Brand und ihre gescheiterte Ehe mit Sebastian hatten die Presse hellhörig gemacht. Außerdem war der Roman auf den Bestsellerlisten hoch eingestiegen. Manchmal fragte sie sich, was aus dem Buch geworden wäre, wenn es das Drumherum nicht gegeben hätte. Vermutlich nichts. Es bestach nicht gerade durch seine literarische Qualität.
    Sie hatte nicht erwartet, so viel über Lana und Jack reden zu müssen. Eigentlich hatte sie doch nur eine Familiengeschichte verarbeitet. Aber John Cross hatte das Ganze zu dem aufgeblasen, was es nun war. Er behauptete, er habe ein Foto gesehen, das beweise, dass Lana Heart die Insel in dem Winter, als Richard starb, besucht hatte. Aber auch dieses Foto war verschwunden. Kate wusste nicht, was Birdie damit gemacht hatte, und Birdie schwieg sich aus.
    »Warum in aller Welt habe ich mich nur mit diesem Blödmann unterhalten?«, schimpfte sie, als der Medienzirkus ausbrach.
    »Vielleicht wolltest du jemandem dein Herz ausschütten«, sagte Kate, obwohl sie sich dieselbe Frage gestellt hatte. Ausgerechnet ihre Mutter, die nichts von sich preisgab, nichts mit anderen teilte, hatte das entscheidende Beweisstück einem Fremden gezeigt. Das gab Kate Rätsel auf.
    »Und du wunderst dich, warum ich die Menschen hasse.«
    »Nein, Mutter, darüber habe ich mich nie gewundert.«
    »Tja«, sagte Birdie, »nun weißt du es. Jeder denkt immer nur an den eigenen Vorteil.«
    Die Tagebücher waren tatsächlich verbrannt, unwiederbringlich verloren. Aber Kate hätte eh nicht gewollt, dass sie eines Tages veröffentlicht wurden. Alles war so lange her, alle Beteiligten gestorben. Und ihr Buch war frei erfunden, die Charaktere und Ereignisse darin nur ein Schatten der historischen Personen. Es war Kates Geschichte, und sie gehörte ihr allein.
    Im Hotel telefonierte Sean gerade mit seiner Kollegin Jane. Als Kate hereinkam, hob er den Finger; sie ging duschen. Nach jedem Interview verspürte sie diesen Drang, die öffentliche Kate abzuwaschen. Sie war ihr fremd. Die echte Kate hatte Kinder und einen Mann, sie schrieb in ihrer Freizeit. Sie war nur Hausfrau und Mutter. Diese Frau gefiel ihr besser. Diese Frau wusste, worauf es ankam. Kate, die Schriftstellerin, machte sich Gedanken über Interviews und Signierstunden, Verkaufslisten und Kritiken (die übrigens gemischt ausgefallen waren). Sie fühlte sich wie in einem Paralleluniversum. In dieser Welt war es unmöglich, sich zu sammeln und zur Ruhe zu kommen.
    »Du warst toll«, sagte Sean, als sie aus der Dusche kam. »Du wirst immer besser.«
    »Hoffentlich ist bald Schluss damit«, sagte sie.
    Wie würde es heute Abend laufen? Würden viele Leute erscheinen? Begegnete man ihr mit Neugier oder Skepsis? Befragte man sie zum Roman, oder zielten alle Fragen auf den Brand und auf Richard Cameron ab? Seit Emily Burkes Verurteilung hatte es viele Fragen zu dem Thema gegeben. Wie ging es Kate damit? Fand sie die Strafe gerecht, die man Emily aufgebrummt hatte?
    In Wahrheit empfand Kate für das Mädchen Mitgefühl. Emily war das Opfer von Joe Burke und von ihrer Mutter Martha geworden. Man hatte ihr Leben mit Lügen vergiftet. Sie hatte sich auf den falschen Mann eingelassen, der sie ausgenutzt und zu schlimmen Taten gezwungen hatte. Während der Untersuchungshaft hatte sie eine Fehlgeburt erlitten.
    Wenn Kate Emily im Fernsehen oder in der Zeitung sah, machte die junge Frau auf sie einen gespenstisch dünnen, niedergeschlagenen Eindruck. Diese Woche war sie zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Das Strafmaß wurde nicht voll ausgeschöpft, weil man die Hauptschuld an den Verbrechen Dean Freeman und Brad Campbell zur Last legte. Kate fand die Strafe immer noch zu hart, was Birdie auf die Palme brachte.
    »Sie ist eine erwachsene Frau«, betonte sie. »Sie hatte die Wahl. Man kann sich nicht ewig mit seiner unglücklichen Kindheit herausreden.«
    Birdie ärgerte sich über Kates Mitgefühl, das sie für Schwäche hielt. Während der langen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher