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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz
Autoren: Magdalen Nabb
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war tot, ihr schlaff herabhängender Kopf war, halb unter Wasser, dem Maresciallo zugewandt. Richtig erkennen konnte er bei dem blutverfärbten Wasser natürlich nichts, aber es sah doch nach einem klassischen Selbstmord aus: Offenbar hatte sie sich in der Badewanne die Pulsadern geöffnet. Hier weiter nachzuforschen war vorerst nicht seine Aufgabe, und so stieg er vorsichtig wieder die Wendeltreppe hinunter.
    »Die Frau liegt tot in der Wanne«, beantwortete er den fragenden Blick des Jungen. »Sehen Sie hier irgendwo ein Telefon?«
    »Auf dem Tischchen am Kamin.«
    Er verständigte den diensthabenden Staatsanwalt und forderte dann im Präsidium in Borgo Ognissanti die Spurensicherung und einen Fotografen an. Als er den Hörer aufgelegt hatte, ging er im Zimmer hin und her, und seine großen, leicht vorstehenden Augen registrierten jedes Detail. Fara beobachtete ihn scharf, fragte aber nicht, wonach er suchte, weil er nicht als ahnungsloser Anfänger dastehen wollte. Hätte er gefragt, wäre der Maresciallo um eine Antwort verlegen gewesen. Er starrte zwar jeden Gegenstand im Raum an, war aber in Gedanken ganz woanders.
    Einmal bemerkte er laut: »Wo zum Teufel hat sich eigentlich der Ehemann hin verkrümelt?«
    »Haben Sie im Schlafzimmer …« Der Junge brach ab, weil ihm dieser Hinweis dem Chef gegenüber anmaßend erschien, doch dann hörten sie direkt über sich einen lauten Plumps. Beide schraken zusammen, und der Junge wurde blaß. Eigentlich geschah es nur, um seine Angst zu kaschieren, daß er als erster die Wendeltreppe hochstürmte. Der Maresciallo, der sich gut in ihn hineinversetzen konnte, brummte bloß: »Vorsicht, und gehen Sie nicht rein.«
    Der Junge gehorchte. Mit einem Finger stieß er die Tür auf und tastete nach dem Lichtschalter. Dann standen beide stumm auf der Schwelle und starrten ins Zimmer. Sie sahen auf den ersten Blick, was den Lärm verursacht hatte, eine leere Chiantiflasche, die zu Boden gefallen war und aus der jetzt die letzten roten Tropfen auf einen Bettvorleger aus weißem Ziegenfell sickerten.
    »Glauben Sie, er ist tot?«
    Der Maresciallo trat ans Bett und drehte das bärtige Gesicht nach oben. Sowie er losließ, plumpste der Kopf auf die Tagesdecke zurück.
    »Nein«, sagte er, »tot ist der nicht. Aber betrunken. Sturzbetrunken.«
    2
    »Wenn Sie Ihre Proben beisammenhaben, können wir dann das Badewasser ablassen?« Mit diesem Arzt hatte der Maresciallo noch nie zu tun gehabt, und er bemühte sich redlich, ihn mit seiner bulligen Gestalt in dem kleinen Bad nicht zu behindern.
    Gurgelnd und glucksend floß das rote Wasser langsam ab. Der Arzt hob vorsichtig einen Fuß des Leichnams an, der den Abfluß blockierte. »Sonst sind wir noch die ganze Nacht hier. Noch eine Aufnahme?«
    Das Blitzlicht des Fotografen flammte emsig surrend auf, sobald der Wasserspiegel sank und die Leiche freigab. Dann trat wieder Ruhe ein, und die Männer wechselten einen Blick.
    »Na, das ist aber mal ’ne Überraschung …« Der Arzt hob erst ein Handgelenk, dann das andere. Beide unversehrt. »Noch nicht mal ein Kratzer. Aber irgendwo muß das viele Blut ja herkommen. Können wir sie umdrehen? Haben Sie alles im Kasten?«
    »Ich bin fertig«, bestätigte der Fotograf.
    »Maresciallo?«
    Guarnaccia, der sich schon vor ihrem Eintreffen alle für ihn wichtigen Notizen gemacht hatte, nickte nur.
    Zu dritt drehten sie die Leiche auf den Bauch.
    »Ach! Na, auf so was ist man natürlich nicht gefaßt, aber es erklärt immerhin die Blutung.«
    Ein zerbrochenes Weinglas, das unter der Toten lag, hatte ihr zwei sehr tiefe Schnittwunden in einer Gesäßhälfte beigebracht sowie eine Reihe von Schrammen unterhalb der Taille. Ein Scherbendreieck steckte immer noch tief im Fleisch.
    »Die Todesursache haben wir damit freilich noch nicht. Ich stehe vor einem Rätsel …«
    Und so ging es auch dem Maresciallo. Es kam vor, daß jemand in der Badewanne ohnmächtig wurde, auch wenn er selber noch nie einen solchen Fall gehabt hatte – und überhaupt, waren das nicht in der Regel alte Menschen? In Ohnmacht zu fallen war eine Sache, aber würde der Betreffende nicht wieder zu sich kommen, wenn er zu ertrinken drohte, und um sein Leben kämpfen? Eine schwache Person würde sich vielleicht nicht retten können, aber diese Frau … »Wie alt schätzen Sie sie, Doktor?«
    »Mitte vierzig, würde ich sagen. Jetzt, wo wir sie umgedreht haben, werde ich mal ihre Temperatur messen. Was meinen Sie, ist der genaue Zeitpunkt
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