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Gebrochen

Gebrochen

Titel: Gebrochen
Autoren: Jeany Lena
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ungestört waren. Lächelnd blickte er mich an. Mir fiel ein Stein – nein ein ganzer Berg – vom Herzen und lächelte zurück.
    „Tut mir leid, dass ich dir schon wieder Sorgen gemacht habe“, sagte er leise.
    „Mach dich nicht lächerlich“, tadelte ich sanft. Dann zog ich ihn ein wenig zu mir und küsste ihn sanft. Er erwiderte es ebenso.
    „Ist nicht einfach, mit einem Fremden darüber zu reden“, erklärte er. Ich nickte nur.
    „Und noch weniger einfach, dass alles wieder auszugraben. Ich hab es schon so weit weg schieben können. Aber jetzt“, er ließ den Satz unvollendet. Ich wartete ab, was noch kommen würde.
    „Du hattest recht damals bei deiner Mutter“, fuhr er nach einer Weile fort, „Ich war noch nicht so weit. Ich war es auch jetzt noch nicht. Aber ich glaube, damals hätte ich es nicht geschafft.“
    „Ist die Frage, ob es wirklich leichter wird, wenn mehr Zeit vergeht. Egal wie lang es her ist, du müsstest es wieder ausgraben. Das ist sicher nie einfach“, meinte ich.
    „Nein“, seufzte er. Er griff nach meiner Hand und drückte sie. Ich erwiderte den Druck, blickte ihn liebevoll an.
    „Danke, für die Unterstützung“, sagte er, sah mich dabei an.
    „Du hättest das Selbe für mich gemacht“, wehrte ich ab. Er nickte, schenkte mir seit viel zu langer Zeit einen seiner intensiven Blicke.
    „Komm weiter“, forderte ich ihn sanft auf und zog ihn mit mir hoch. Die Ablenkung funktionierte auch weiterhin, er lebte richtig wieder auf.

    ***

    Auch die nächste Woche, war er noch ein wenig niedergeschlagen, doch er fing sich wieder. Nach einer weiteren Woche war unser Urlaub. Der Tapetenwechsel und die neuen Dinge dort taten ihm weiterhin gut. Er erholte sich weiter. Wir sprachen nicht mehr darüber, was mit dem Jungen passiert war, um alte Wunden nicht erneut aufzureißen. Zumindest sprach ich aus diesem Grund nicht darüber. Genauso wenig sprachen wir über seine Eltern oder deren Verhandlung. Der Anwalt hatte uns schon gesagt, dass es sich ziemlich in die Länge ziehen würde, bis wir mit einem Urteil rechnen konnten. In Wirklichkeit interessierte es uns nicht. Wir konnten ohnehin keinen Einfluss darauf nehmen, wie es ausfallen würde. Leon konnte nicht mehr machen, als seine Aussage und das hatte er getan.

    Insgesamt dauerte es drei Wochen, bis Leon wiederhergestellt war. In dieser Zeit musste ich wieder aufpassen, dass ich mich ihm nicht zu schnell näherte. Dass ich nichts machte, was ihn erneut aufbrachte. Doch gegen die Zeit, die es zuvor gebraucht hatte, war diese Erholungsphase kurz. Trotzdem natürlich war ich froh, als es ihm endlich wieder endgültig gut ging. Danach ging es weiter mit seinen Fortschritten. Mit jedem Monat ging es ihm weiter besser. Mit jedem Monat vergaßen wir - und da war ich mir sicher, dass es ihm auch so ging - ein wenig mehr, was in seiner Vergangenheit passiert war.

    ***

    Es war ziemlich genau ein Jahr, nachdem Leon seine Aussage gemacht hatte, als wir den Bescheid bekamen. Seine Eltern waren verurteilt worden. Sie wanderten beide ins Gefängnis. Seine Mutter nicht so lang, wie sein Vater, was er überhaupt nicht verstand. Ich befürchtete schon, dass er wieder zusammenbrechen würde. Dass es ihm wieder zusetzen würde. Dass es die Erinnerungen wieder wecken würde. Er hatte zwar einen Zusammenbruch und weinte in meinen Armen, doch es war danach vorbei. Wie bei seinen ersten Zusammenbrüchen beruhigte er sich bald wieder.
    „Weißt du“, sagte er danach und blickte mich liebevoll an, „irgendwie hab ich jetzt das Gefühl, als wäre alles gut.“
    Ja, das konnte ich sogar nachvollziehen. Immerhin waren diejenigen, die ihm das alles angetan hatten nun hinter Gitter.
    „Jetzt kann ich richtig leben“, fuhr er nach einer Weile fort.
    Ich nickte dazu und küsste ihn sanft. Mit mir. Das musste er nicht dazu sagen. Das sah ich alleine an seinem Blick, dass er es genau so gemeint hatte.
    „Ich liebe dich“, sagte ich sanft. Auch die Erwiderung musste er nicht aussprechen. Sie lag in seinem intensiven Blick, den er mir schenkte. In diesen Blicken, zu denen nur er fähig war. In seinem Blick, der besser als jedes Wort genau das ausdrückte: „Ich liebe dich.“
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