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Gebrochen

Gebrochen

Titel: Gebrochen
Autoren: Jeany Lena
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die Frau. Ich schluckte schwer, das konnte ich ihr nicht sagen, oder doch?
    „Ist ok“, vernahm ich da Leons Murmeln.
    „Er war …“, ich brach ab, setzte erneut an: „Seit er neun war, wurde er missbraucht.“
    Ich sprach so leise, dass es nur die Frau verstehen konnte, doch ich hatte wohl den Jungen unterschätzt. Dieser holte nun entsetzt Luft und ging zu Leon. Die Frau wollte ihn aufhalten, doch da nahm Leon die Hände vom Gesicht und blickte den Jungen an.
    „Nein, lassen sie ihn“, sagte ich sanft.
    „Warum sind sie hier?“, fragte die Frau.
    „Er macht sich Vorwürfe. Wenn er geblieben wäre, hätte ihr Junge nicht leiden müssen. Oder wenn er es früher geschafft hätte, zur Polizei zu gehen“, erklärte ich ihr.
    „Früher?“, fragte sie nach.
    „Er ist seit September dort weg. Allerdings …“
    „So lange?“, unterbrach sie mich. Ich warf ihr einen Blick zu und verteidigte ihn flüsternd: „Er hat zwölf Jahre gelitten.“
    „Das meinte ich“, sagte sie und wandte den Blick ab. Der Junge hatte sich während unseres Wortwechsels vor Leon gekniet und seine Hände genommen.
    „Es tut mir so leid“, sagte Leon wieder.
    „Wie alt bist du jetzt?“, fragte der Junge. Leon brauchte einen Moment, bis er antwortete: „Zweiundzwanzig.“
    Dem Jungen traten Tränen in die Augen, als er sagte: „Dann waren es zwölf Jahre?“
    Leon nickte nur. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass seine Mutter die Hand vor den Mund hielt. Ich war gefesselt von den beiden vor mir.
    „Es tut noch immer weh“, sagte der Junge jetzt leise. Wieder nickte Leon, dann sagte er: „Es hört wieder auf.“
    „Ich träume davon“, fuhr der Junge fort.
    „Auch das wird aufhören“, sagte Leon erstickt. Die Mutter des Jungen schaltete sich ein: „Er wird dafür büßen.“
    Der Junge blickte zu ihr und sagte: „Und die Frau auch.“
    „Schatz ich hab dir schon gesagt, dass Frauen sowas nicht…“, setzte seine Mutter an. Leon hob den Kopf und unterbrach sie: „Glauben sie ihm. Enttäuschen sie ihn nicht.“
    Seine Mutter sah ihn aus großen Augen an, dann mich. Ich nickte nur. Was der Junge am meisten brauchte, war das Vertrauen seiner Eltern. Leon stand endlich auf und blickte nun die Mutter an.
    „Frauen können“, sagte er nur. Die Mutter nickte und schluckte schwer. Sie legte den Arm um den Jungen, der ebenfalls aufgestanden und zu ihr gegangen war. Erschrocken zuckte ich zusammen, als die Tür aufging und ein Mann erschien.
    „Verflucht nochmal“, schimpfte er, dann sah er auf.
    „Was ist denn hier los?“, fragte er argwöhnisch. Der Junge lief zu seinem Vater und schloss die Arme um ihn. Leon krallte sich in meinen Arm. Ich blickte zu ihm. Neue Tränen rannen über sein Gesicht.
    Verdammt! Das war einfach zu viel für ihn. Ich zog ihn zu mir und schloss die Arme um ihn. Tröstend strich ich über seinen Rücken.
    „Sie glauben uns nicht! Sie behaupten, dass er übertreibt! Sie hätten nichts gegen ihn in der Hand“, riss mich die Stimme des Vaters aus dem Versuch, Leon zu trösten.
    „Sie können meinem Vater nichts nachweisen?“, fragte Leon da. Der Blick des Vaters des Jungen schoss zu uns.
    „Das ist der Sohn von dem Mann. Er hat ebenfalls gelitten“, erklärte seine Frau, die bei ihm stand. Ich hatte nicht mitbekommen, dass sie dorthin gegangen war.
    „Ja genau“, beantwortete der Vater Leons Frage.
    „Würde eine zweite Aussage reichen?“, fragte Leon weiter.
    „Vermutlich“, zweifelte sein Vater. Plötzlich erstarrte Leon. Alarmiert blickte ich zu ihm.
    „Ich …“, setzte er an und brach wieder ab. Er blickte zu dem Vater des Jungen und fragte: „Haben sie mit der Polizei hier geredet?“
    „Natürlich“, fuhr der Vater auf.
    „Und die behaupten das?“, fragte Leon leise. Der Vater nickte nur.
    „Mit einem Beamten, eins achtzig groß, brünettes Haar, etwas dicker und mit einem Siegelring am Finger?“, fragte Leon weiter. Als der Vater wieder nickte, verspannte sich Leon noch mehr.
    „Was ist?“, fragte ich.
    „Der ist einer von ihnen. Ein Freund von meinem Vater“, sagte Leon erstickt, dann presste er sein Gesicht gegen meinen Hals. Ich konnte seinen Körper beben fühlen.
    „Kommen Sie mit“, sagte der Vater des Jungen da und ging los. Alle folgten ihm, auch wir. Wir kamen in eine Küche und bekamen einen Kaffee, nachdem wir uns gesetzt hatten. Nachdenklich blickte der Vater des Jungen drein. Dann sah er auf und blickte Leon an.
    „Sie würden also eine Aussage
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