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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich
Autoren: Heinrich Steinfest
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finden, fühlen sie sich gleich viel besser.
    Jedoch ist auch dies natürlich eine eher simple Methode, zudem ist es mit dem Hochdeutsch der meisten Deutschen auch nicht weit her. Hochdeutsch ist mehr ein Gerücht. Die, welche es anzuwenden meinen, sind Blender. Blender, die Österreicher blenden.
    Am besten kann man den Österreicher vielleicht damit ärgern, ihn nicht als Österreicher wahrzunehmen, sondern als halben Deutschen oder ganzen Europäer oder als Missing link zwischen Ost und West oder doch als Teil der internationalen Gemeinschaft. Denn der Österreicher will mitnichten irgendwo dazugehören. Wenn er es tut, wenn er sich sogar mehrheitlich, wie im Falle der EU, dafür entscheidet, dann zähneknirschend und aus Gründen einer ökonomischen Vernunft. Österreich ist schweizerischer als die Schweiz. Und man kann sagen, daß sich viele Österreicher selten so gut gefühlt haben als zu der Zeit, da wegen der Nazivergangenheit des Bundespräsidenten Waldheim eine gewisse Ächtung Österreichs, zumindest seines Staatsoberhaupts, stattfand. Damals erblühte ein mehr als notgedrungenes Wir-sind-wir-Gefühl. Die isolierte Position entsprach genau dem Selbstverständnis der Österreicher, nach dem Österreich eine »Insel der Seligen« ist – ein Kulturland, in dem sogar die Teekannen reden können — und rundherum bloß öde Weiten stumpfsinnig machender Ozeane.
    Also nochmals: Österreicher sind Umwege suchende Alpinisten und Insulaner. Wenn Sie sie ärgern wollen, weigern Sie sich einfach, dies anzuerkennen, und quasseln Sie von den Parallelen innerhalb der europäischen Kulturen.

 
    Es  gibt Deutsche,  die der Österreicher mag, und Deutsche, die er haßt.
    Zu ersteren zählen natürlich die Touristen, nicht nur des Geldes wegen, welches sie im Land lassen. Man schätzt sie wirklich, sehr viel mehr als noch vor zwanzig Jahren, als sie mit einer gewissen Überheblichkeit auftraten und so taten, als könnten sie sich so gut wie alles unter den Fingernagel reißen. Heute aber scheint es, als hätte ausgerechnet die Wiedervereinigung den Deutschen ihre Großmannsucht ausgetrieben, als sei das Land mit seiner Vergrößerung geschrumpft. Als hätten die Deutschen einsehen müssen, daß sie auch nur Menschen sind, selbst wenn sie siebzehnjährig das Tennisturnier von Wimbledon gewonnen haben. Mit solchen »geschrumpften« Deutschen kann der Österreicher gut. Für sie macht er auch hin und wieder den Kasperl, trägt Lederhosen oder reinweiße Strickmützen, erfüllt Erwartungshaltungen wie die von der Gemütlichkeit und Urigkeit, zeigt sich aber mit dem neuen Selbstbewußtsein des in seiner vorteilhaften Kleinstaatlichkeit prosperierenden Kultur- und Naturmenschen.
    Im neuen Europa fühlen sich die Österreicher als das »Reich der Mitte«. Und am liebsten lassen sie sich dabei vom deutschen Urlauber betrachten. Dies freilich ist eine alte Sache, daß Deutsche und Österreicher sich gerne in einem spiegelnden Verhältnis gegenüberstehen, den anderen beobachtend und von ihm beobachtet. Der andere ist der Spiegel, in den man schaut. Das heißt, man hält sich selbst für wirklich, und das, was man im Spiegel sieht, im geringsten Fall für ein seitenverkehrtes Abbild. Oder aber eine erschreckende Verdeutlichung. Oder eine mirakulöse Infamie (ganz im Sinne von »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist. . .«). Oder man erlebt das Spiegelbild als eine willkommene Kompensation (à la Dorian Gray, was bei Österreichern bedeutet, daß immer die Deutschen die Nazis sind, sie selbst aber bloß »traditionell« und »volkstümlich«).
    Zu den Deutschen nun, die die Österreicher hassen, gehören natürlich jene, welche hierherkommen, um eine führende Position zu übernehmen und den Einheimischen zu erklären, wo es langgeht. Das mag man in keiner Konstellation schätzen, aber im Falle eines Deutschen erscheint es besonders schlimm. Um noch einmal das Spiegelbeispiel zu bemühen: Mittels eines deutschen Vorgesetzten erkennt der Österreicher sich selbst als Monster. Und wer bitte schön möchte ein Monster sein?
    Das mit Sicherheit berühmteste Monster dieser Art war der »Theatermacher« Claus Peymann, welcher 1986 das Wiener Burgtheater übernahm, jene kakanische Staatsbühne, in welcher seit jeher Schauspieler agieren, die eine österreichische Urkrankheit auf das Kunstvollste praktizieren: den Größen-
    Wahnsinn. Peymann wiederum ist der geborene Alleinherrscher. Von Anfang an war klar, daß etwas anderes als
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