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Geboren in Atlantis

Geboren in Atlantis

Titel: Geboren in Atlantis
Autoren: Jason Dark
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nach. Sie kannte sich aus, alle Tricks und Schlechtigkeiten. Was in der Vergangenheit geschehen war, hatte nichts mit den Methoden der Zuhälter zu tun oder mit irgendwelchen Bandenkriegen. Das war eine sich anschleichende, hinterlistige Gewalt. Wieso hatte Baby-Jim nichts davon bemerkt? Oder wollte er nichts davon merken?
    Typen wie er waren Einzelgänger. Eine Laune der Natur hat mich geschaffen, so waren einmal seine Worte gewesen, als er mit Lulu in einer Kneipe gehockt hatte. Eine Laune der Natur - irgendwo hatte er recht, der Transvestit, der nun einsam neben einer Plakatsäule stand und hinter dem alten Zweisitzer der Nutte herschaute. Nicht, dass Lulu etwa Muttergefühle für Baby-Jim verspürt hätte, es war einfach nur die innere Stimme, die ihr zwar riet, weiterzufahren, aber Jim nicht ganz aus den Augen zu lassen.
    Lulu wusste, wie man so etwas machte. Bevor die Straße abknickte, verschwand der verhältnismäßig kleine Wagen im Haifischmaul. Es war ein Loch in einem Haus, gierig wie ein Rachen und wurde deshalb von Kennern der Gegend nur Haifischmaul genannt.
    Bevor sie die Lichter löschte, hatte sie noch die Gestalten gesehen, die sich in eine Nische drückten. Auch arme Säue, dachte sie. Penner, Wohnungslose, die das Schicksal auf die Straße getrieben hatte und die in der Nacht, wenn es kühl war, schützende Flecken suchten, dort lagerten, sich in Decken einwickelten und so lange tranken, bis sie vor Müdigkeit umkippten, dem nächsten beschissenen Tag entgegenschliefen.
    Sie schauten kaum auf, als Lulu den Wagen verließ. Das Mädchen war ihnen bekannt. Es hatte seine Jacke übergestreift, einen künstlichen Pelz. Er reichte weiter als der Rock, bis zu den Knien. Eigentlich bist du verrückt, dachte Lulu, richtiggehend blöde, dich um ungelegte Eier zu kümmern, aber sie empfand an diesem Abend einfach anders. Er kam ihr vor wie ein Startschuss, der noch hinausgezögert wurde, um etwas Furchtbares in die Welt zu transportieren, das eigentlich schon seit einer Weile darauf lauerte.
    Die Stadtstreicher schauten sie an. Lulu hütete sich, diese Männer zu übergehen. Sie wusste sehr wohl, dass die Verdammten der Großstadt ihre Augen überall hatten und so manches sahen, was anderen verborgen blieb. Nur redeten sie selten darüber.
    Lulu war ihnen bekannt. Möglicherweise würden sie sogar mit der jungen Frau reden. Dass sie über eine Flasche stolperte, bemerkte sie erst, als der billige Fusel auslief und eine widerliche Geruchswolke verströmte. Der Protest erreichte sie in geballter Form, drohend wurden Fäuste gegen sie geschüttelt. In der Nische wirkten die Bewegungen wie ein Schattenspiel.
    Es gab nur eine Möglichkeit, um sie zu beruhigen. Lulu hielt den Geldschein bereits in der Hand. Einer der Männer fing das zerdrückte Etwas auf, das sie ihnen entgegenwarf. »Dafür könnt ihr euch drei Flaschen Fusel kaufen.«
    »Aber nicht jetzt.«
    »Dann eben morgen.«
    Der Sprecher lachte geifernd. »Morgen, sagst du. Verdammt noch mal, glaubst du denn, dass wir den morgigen Tag noch erleben werden?«
    Lulu hatte genau zugehört. Sie kannte den Sprecher. Von den anderen wurde er Prediger genannt, weil er vor einiger Zeit auf der Straße mal eine Sekte geführt hatte. Der Prediger war nicht nur sensibel, er besaß auch eine gute Bildung, von der durch den genossenen Alkohol nicht alles weggeschwemmt worden war.
    »Wie meinst du das denn?«
    »Egal.«
    Lulu wollte es wissen. Sie trat noch dichter an die Gruppe heran. »Los, Prediger, rede!«
    Der Mann fuhr mit seinen schlanken Händen über die Stoppeln des Barts. »Man kann es nicht so einfach erklären.« Er wollte ausweichen, Lulu ließ nicht locker.
    »Du fühlst es, wie?«
    »Ja, auch.«
    »Ich ebenfalls, Prediger, ich ebenfalls.« Sie redete sehr schnell und abgehackt. »Ich weiß genau, dass hier einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. In dieser verdammten Gegend hat sich etwas verändert, ich merke es sehr deutlich. Hier haben Leute die Kontrolle übernommen, die wir nicht kennen, die wir nur selten sehen, die aber vorhanden sind. Sie leben hier wie Schatten und irgendwelche Götzen. Man spricht nicht darüber, zieht lieber den Kopf ein und schweigt. Aber ich will es nicht. Ich will hier in Ruhe meine Freier treffen…«
    »Du redest zuviel, Lulu.«
    »Weiß ich.«
    »Mancher hat sich schon um seinen Kopf geredet.« Nur der Prediger sprach, die anderen hockten auf alten Decken und starrten dumpf vor sich hin. Es war bedrückend, die Runde zu
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