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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten
Autoren: Eva Demski
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Euphorbien und manche Heilkräuter. Sogar in der Ödnis alter Steinbrüche entdeckt man Blümchen, sie sind klein und zäh, haben wunderschöne Farben, aber sie springen einem nicht ins Auge, sondern verstecken sich gern.
    Im thailändischen Dschungel ist die Erde rot, das ist sie auch in den Kautschuk- und Bananenplantagen oder in den Parks und Gärten wie dem von Hua Hin, denen der Dschungel hat weichen müssen. Selbst unter den wüstesten Neubaugebirgen lebt er noch, und seine fette Erde lauert auf die kleinsten Ritzen, um etwas hinauszutreiben aus dem Beton. Rote Erde gibt es auch bei uns, nach ihr heißen im Ruhrgebiet Sportstadien und Schaustellervereine.
    Wann und wo sieht man eigentlich Erde? Wenn die Felder gepflügt daliegen, für kurze Zeit nackt und schutzlos. Viele Menschen kennen Farbe, Eigenschaften und Vorlieben ihrer Erde gar nicht. Für sie ist Erde braun und, zu zwanzig oder fünfzig Litern abgepackt, in Tüten erhältlich. Sie ist mittlerweile ebenso ein Kunstprodukt wie die Pflanzen, die man hineinsteckt. Manche haben deswegen das Kompostieren wieder gelernt, das ist eine Wissenschaft, und es gibt so viele Rezepte für den ultimativen Kompost, wie es Komposthaufen gibt. Der Einsatz der selbstgemachten Supererde entlockt auch unwilligem Boden die eine oder andere schöneÜberraschung – verändern tut es ihn aber nicht. Vielleicht in hundert Jahren. Erde braucht Zeit. Zeit der Ruhe, der Erholung, der Abwechslung. Zeit hat aber niemand mehr, und so gibt man ihr Medikamente, damit sie schneller tut, was von ihr verlangt wird.
    Manchmal helfen die aber nicht mehr, und dann muß ein ganzer schöner Garten weggeräumt werden, wie einem herrlichen Rosengarten geschehen ist, den viele jedes Jahr bewunderten. Schön brotbraun hatte die Erde ausgesehen und Hunderte von Rosenbüschen und -bäumen aller möglicher Sorten ernährt. Aber in ihr hatten sich Nematoden angesiedelt, winzige, in der Vergrößerung eklig aussehende Würmer, die nützlich sein sollen und schädlich sein können. Man kann sie paketweise bestellen, dann machen sie Dickmaulrüsslern und anderem Schädlingszeug den Garaus, wenn sie aber in großer Zahl unter die Rosen geraten, gibt es keine Rettung mehr.
    Im Garten begegnen wir der Erde eigentlich nie mit Neugier und Geduld von Angesicht zu Angesicht. Entweder reißen wir etwas aus ihr raus oder pflanzen etwas in sie hinein. Sie nackt zu sehen behagt höchstens dem Gemüsegärtner, für kurze Zeit, bis Salat und Möhrengrün sie bedeckt haben. Im sogenannten Ziergarten hat sie bekleidet zu sein, dem Erfindungsreichtum der Gartenindustrie sind da keine Grenzen gesetzt. Polster, Zwergstauden, kriechendes und sich verzweigendes Gestrüpp, Moose und was sich sonst noch eng auf den Boden legt, tausend und abertausend Sorten bieten sich an. Daß nur keine Löcher, durch die man Erde sehen könnte, bleiben.
    Woraus besteht sie eigentlich? Die Frage ist nicht so dumm, wie sie klingt. Sie gilt zwar wie Luft, Feuer und Wasser als Element, von diesen allen hat sie aber vermutlich diekomplizierteste Struktur. Ein Gemisch aus abgestorbenen Pflanzenteilen, Vulkanasche, zermahlenen Muscheln und anderem Urgetier ist sie, eigentlich ein Friedhof für Totes und Nährboden für unzählige Mikroben, Bakterien und anderes Lebendiges. Sie verbirgt allerlei hingeschiedene Kulturen, Edelsteine, Erze und andere Rohstoffe. Wenn man torfige Erde in den Fingern zerreibt, spürt man die Pflanzenfasern. Was durch den Darm eines Regenwurms gewandert ist, bildet kleine, schwarze Häufchen und ist allerfeinster Boden. Vergangene Zeiten haben in manche Gegenden fruchtbare Erde geschaufelt und andere hungern lassen. In Berggegenden spuckt sie Steine aus, jedes Jahr neue. Das ist gut, daraus kann man Mäuerchen bauen, damit sie nicht abrutscht. Sie braucht Halt durch Wurzeln, wenn der Boden nicht eben ist, sonst wird sie weggespült. Manchmal ahnt man etwas von ihrer Vorgeschichte, zum Beispiel, wenn der Garten beim Gießen plötzlich durchdringend nach Pilzen zu riechen anfängt. Waldbodengeruch, woher auch immer er kommen mag.
    Erde ist ein lebendiges Wesen und liebt lebendigen Dünger, Blut und Scheiße: Blutmehl, Hornspäne, Pferdeäpfel, Kuhdung oder Guano, was auch nichts anderes als Vogelmist ist. Nur keine Fleischfresserfäkalien. Ich glaube nicht, daß all die appetitlichen Plastikflaschen mit geruchlosem, wasserklarem Inhalt und vielversprechenden Namen, die lausfreie und glückliche Riesenblumen verheißen, dem
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