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Garantiert wechselhaft

Garantiert wechselhaft

Titel: Garantiert wechselhaft
Autoren: Fanny Wagner , Carolin Birk
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sie.
    Genau, das war’s, was ich brauchte: ein großes Glas Wein! Im Gegensatz zur Küche herrschte hinter der Theke penible Ordnung, und ich sah auf einen Blick, dass Dornfelder und Grauburgunder im Angebot waren. Für eine Bordeauxliebhaberin entsprach das in etwa der Wahl zwischen Husten und Schnupfen, aber immerhin: Pest und Cholera waren noch weit entfernt.
    «Und was nimmst du?», fragte ich Marie, während ich einer Flasche Dornfelder an den Korken ging. «Cola? Oder Spezi?»
    Marie zog sich einen Apfelsaft heraus, als ein Geräusch sie aufhorchen ließ. «Hast du das gehört?»
    «Du meinst dieses Plopp?» Ich schnüffelte am Korken und schenkte mir ein.
    «Nein, da schreit eine Katze!» Marie sauste in die Küche, und im nächsten Moment hörte ich begeisterte Jubelschreie. «Mama, schau mal!»
    Das Weinglas in der Hand, folgte ich meiner Tochter in die Räucherkammer, wo ich sie am Boden vorfand. Neben ihr saß eine große schwarze Katze, die mich mit grüngelben Augen kritisch musterte.
    «Ist der nicht süß?» Marie strahlte wie die Weihnachtsbeleuchtung im KaDeWe. «Den behalten wir, oder?»
    Ich dachte an das Trockenfutter und war erleichtert, dass mein Onkel offensichtlich doch nicht so weit neben der Spur gewesen war, dass er sich selbst von Brekkies ernährt hatte. «Ich glaube, es ist eher die Frage, ob sie uns behält», sagte ich und kraulte das Tier hinter den Ohren. «Bestimmt wohnt die hier schon länger.»
    «Er», verbesserte mich Marie. «Es ist ein Kater, und ich werde ihn Crowley nennen.» Als sie die Fragezeichen in meinem Gesicht sah, rollte sie die Augen. «Nach Aleister Crowley. Dem berühmten Hexenmeister.»
    «Ach so, der», sagte ich, als wäre das ein ehemaliger Nachbar von uns. «Und du bist sicher, dass es ein Kater ist?»
    «Sieht man doch, oder?»
    Ich versuchte dem Tier, das mir nun um die Beine strich, unter den Schwanz zu schauen, aber das brachte keine neuen Erkenntnisse. Nur einen verächtlichen Blick, den ich nachvollziehen konnte. Mir gefiel es auch nicht, wenn irgendein Dahergelaufener mir auf den Hintern glotzte.

    Als wir eine Stunde später satt und zufrieden in der warmen Küche saßen, spürte ich, wie eine bleierne Müdigkeit von mir Besitz ergriff. Auch Marie, die den schnurrenden Crowley auf dem Schoß hatte, gähnte schon.
    «Was hältst du davon, wenn wir uns oben ein Schlafzimmer aussuchen?»
    «Wie viel Auswahl haben wir denn?»
    Ich rechnete schnell nach. «Ich glaube, es gibt sechs Zimmer.»
    «Cool!» Marie drückte den Kater an sich. «Komm mit, Crowley.»
    Im Gänsemarsch stiegen wir die knarrende Treppe in den ersten Stock hinauf. Der obere Flur wurde von funzeligen Deckenlampen erleuchtet.
    Ich blieb vor einem der Fotos stehen, die die Wände zierten. «Guck mal. Das hier ist der große Saal. Dort sind damals ganze Busgesellschaften zum Mittagessen eingekehrt.»
    Andere Fotos zeigten eine fröhliche Hochzeitsgesellschaft, ein Konzert der Wiestaler Blasmusik auf dem kleinen Platz vor dem Gasthof, die Stammtischbrüder beim Kartenspielen … und den Blick aus einem der Fenster in den Garten: blühende Apfelbäume, umrahmt von Gardinen. Ein Traum. Auch hier oben hatte Hubert seiner Leidenschaft für gestickte Weisheiten freien Lauf gelassen. Statt einer Zimmernummer hing neben jeder Tür ein gerahmter Spruch. Ich wollte mich für Von nichts kommt nichts entscheiden, aber Crowley hatte andere Vorstellungen. Vor dem letzten Zimmer rechts blieb er laut maunzend stehen.
    Früh gefreit, schnell gereut – auch nicht schlecht. Ich öffnete die Tür, und Crowley stürzte sofort in das eisige, muffig riechende Zimmer.
    Nachdem ich an der Kordel neben der Tür gezogen hatte, warf eine schalenförmige Deckenlampe flackerndes Licht auf ein Doppelbett in Echtholzfurnier, mit passenden Nachtschränkchen. Vervollständigt wurde das verstaubte Ensemble von einem klobigen Schrank, einer Frisierkommode und einem riesigen Heiligenbild: Jesus als guter Hirte hing quer über dem Kopfende vom Bett.
    «Boah, voll retro!» Marie setzte sich begeistert auf den Plastikhocker vor dem Spiegel. «Kann ich das Bild für mein Zimmer haben?»
    «Wenn du abends diese ganzen Schäfchen zählst, hast du jedenfalls keine Einschlafschwierigkeiten», sagte ich gähnend. «Aber jetzt holen wir erst mal unser Bettzeug aus dem Auto.»
    Um warm zu bleiben, erledigten wir alle Handgriffe im Rekordtempo. Und nachdem wir Wasser für Wärmflaschen heiß gemacht hatten, stellten wir am
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