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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine
Autoren: Claudia Piñeiro
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Angestellte ging in sein Büro; er kam sich ungeheuer wichtig vor. Allerdings müsse ich wenigstens hundert Pesos auf dem Konto lassen, sagte er noch, das sei Vorschrift. Das leuchtete mir ein. An der Kasse bekam ich schließlich alles ausbezahlt. Ich ging auf die Toilette und versteckte das Geld. Einen Teil steckte ich mir ins Mieder, einen anderen unter den Rock, den Rest tat ich in die Handtasche. Die Scheine waren ganz neu und entsprechend rutschig. Ich ging aus der Bank. Als Nächstes betrat ich ein Kleidungsgeschäft und kaufte mir Jeans und eine schwarze Lederjacke. Ich zahlte bar. Ich ließ mir das sandfarbene Seidenkleid einpacken und zog stattdessen die neuen Sachen an. Die Tüte mit dem Kleid deponierte ich im nächsten Mülleimer. Schade drum. Ich betrat eine Telefonzelle, rief aber nirgendwo an, sondern nahm mir nur das Branchenbuch vor. Ich schlug bei »Autovermietungen« und »Perücken« nach. Das betraf Schritt drei und vier meines Plans. Da fiel mir ein, dass Alicias Schlüsselbund noch in der Tasche des sandfarbenen Kleids im Mülleimer steckte. Aber das war jetzt egal, ja, es war sogar besser so, auf diese Weise war ich das makabre Souvenir los. Die nächste Autovermietung war drei Querstraßen weit entfernt, das nächste Perückengeschäft zwanzig, aber die Perücke brauchte ich zuerst. Ich nahm die U-Bahn. Damit kam ich zwar nicht in die unmittelbare Nähe des Geschäftes, aber wenn ich den Bus genommen hätte, hätte ich erst einmal herausfinden müssen, welcher in die passende Richtung fuhr. Und ein Taxi, nein, auf keinen Fall – »Wozu unnötig Geld vergeuden?«, wie Mama gesagt hätte. Als ich bei dem Perückenladen ankam, betrat vor mir gerade eine Frau das Geschäft. Sie wollte Haare von sich verkaufen. Für Naturhaarperücken. Die Angestellte hatte Interesse daran und rief die Geschäftsführerin. Minutenlang unterhielten sie sich über den Preis. Ich war ungeduldig, fand es andererseits aber auch ganz witzig. Noch nie hatte ich erlebt, dass jemand sein eigenes Haar verkaufte. Sie verhandelten immer noch, die Frau stellte klar, dass ihr das Angebot eigentlich zu niedrig war, zuletzt ließ sie sich aber auf den Preis ein. Dann verließ sie den Laden. Ich war an der Reihe. Ich wählte eine kastanienbraune Perücke mit schulterlangem, glattem Haar. Typisch Argentinierin. Obwohl eigentlich alle Argentinierinnen blond sein wollen. Oder wenigstens blond aussehen. Deswegen lassen wir uns die Haare tönen, bleichen unsere Augenbrauen, ja vergessen manchmal sogar, dass unser Haar früher anders aussah. Blondinen aus bloßer Angeberei. Herbe Blondinen. Blondinen aus Eifersucht. Blondinen wie ich. Ich zog mir die Perücke über. Sie stand mir gut. Es gab auch eine prachtvolle dunkelbraune, fast schwarze, mit langem glattem Haar. Wie das von Charo. Ich probierte sie nur zum Spaß – wer weiß, wie bald ich wieder die Gelegenheit hätte. Ich ließ die Haare über die Schultern fallen. Genau wie sie. Charo würde man ihr Haar bestimmt abkaufen. Ich ließ die Perücke gleich an. Die kastanienbraune. Die so ist, wie ich bin, aber nicht sein will. Die typisch argentinische. Durch das Schaufenster sah ich zu, wie die Verkäuferin die dunkelbraune Perücke wieder auf dem weißen Styroporkopf in der Vitrine drapierte. Sorgfältig legte sie die einzelnen Strähnen zurecht, sodass sie möglichst gut zur Geltung kamen. Der Kopfstand im Zentrum der Vitrine. Alle übrigen Perücken fielen dagegen ab. Ais existierten sie nicht. Nicht einmal die blonden. Ich fuhr mit der U-Bahn weiter zu der Autovermietung. Ich betrat das Büro. Ich setzte mich auf einen Stuhl und wartete, dass der einzige Angestellte, der zu sehen war, mit einem Mann fertig wurde, der offensichtlich Ausländer war. Es war heiß, und auf dem abgewetzten Kunstleder des Stuhls fingen meine Schenkel an zu schwitzen. Bald war ich ganz durchnässt. Und nervös. Von der Perücke wurde das Ganze nicht besser. Es juckte mich am Kopf, aber mich einfach zu kratzen, kam mir unanständig vor. Die Schuhe drücken, die Strümpfe sind viel zu warm … Weshalb fängt man in solchen Momenten an, die Kontrolle über die eigenen Gedanken zu verlieren? Und der Typ da drüben … Endlich verschwand der Ausländer, und ich baute mich vor dem Tisch des Angestellten auf, noch bevor der mich hatte rufen können. Ich sagte, ich wolle einen Wagen. Den billigsten, den sie hatten. Der Mann schlug mir einen vor. Ich fragte, welche Farbe er habe. Rot. Ich lehnte sofort ab, es
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