Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine
Autoren: Claudia Piñeiro
Vom Netzwerk:
zu Vernehmenden die Bestimmungen des Strafgesetzbuches für den Fall einer wissentlichen Falschaussage vorgetragen, deren Kenntnisnahme vom Betroffenen bestätigt wird. Ebenso wird der zu Vernehmende über sämtliche ihm zustehenden Rechte informiert, insbesondere nach Art. 79, So und 81 StGB, welche dem Betroffenen in Gänze vorgetragen werden.
    Auf die Frage nach den Personalien gibt der Zeuge als Name an ALBERTO GARRIDO, was er durch Vorlage seines ordnungsgemäß ausgestellten Personalausweises, Nr. 12.898.610, belegt. Von Beruf ist der Zeuge Barkellner; geboren am 6. März 1960 in Buenos Aires als Sohn der Eheleute Enrique Garrido und Elena González; Ehestand: geschieden; derzeitige Adresse: Calle Yatay 2341, Buenos Aires.
    Dazu aufgefordert, alle ihm im Zusammenhang mit der infrage stehenden Angelegenheit bekannten Tatsachen darzulegen, äußert der Zeuge: »Ich habe mich am Morgen des heutigen Tages im Kommissariat 31 eingestellt und bin von dort an das hiesige Gericht verwiesen worden, um eine für die betreffende Angelegenheit wichtige Aussage abzulegen.
    Am Tag des Verschwindens von Frau Alicia Soria bediente ich in der Bar eine sehr nervöse Dame, die ein sandfarbenes Kleid trug; diese war zuvor aus dem Wohnhaus der erwähnten Alicia Soria gekommen und verfolgte nun in verdächtiger Weise das Kommen und Gehen vor ebendiesem Gebäude. Ich erinnere mich so genau an die Betreffende, da mir auffiel, dass sie Haushaltshandschuhe trug.« Die Frage des vernehmenden Richters »Aus Gummi?« beantwortet der Zeuge mit »Ja«. Auf die Frage nach der Identität der Frau äußert der Zeuge: »Sie war mir bis vor Kurzem nicht bekannt, doch gestern äußerte einer der Stammkunden des Lokals, Herr Ernesto Pereyra, während er ein Getränk zu sich nahm, unvermittelt seine Sorge, der einzige Verdächtige eines Verbrechens zu sein, das er aber nicht begangen habe, sowie seine Befürchtungen und Unruhe hinsichtlich der Möglichkeit, seine Ehefrau Inés Pereyra könne womöglich in den bedauernswerten Vorfall verwickelt sein; aufgrund der engen Beziehung und Wertschätzung zwischen den beiden, die einen bei seit vielen Jahren Verheirateten nicht wundern könne, fühle er sich jedoch außerstande, sich an die Justizbehörden zu wenden und seinen Verdacht zu äußern. Er zeigte mir ein Foto, das er angeblich immer bei sich trägt, und die Frau darauf war hundertprozentig identisch mit der, die ich am Tag von Alicia Sorias Verschwinden gesehen hatte.« Auf die Frage, weshalb er sich nicht schonfrüher mit den Justizbehörden in Verbindung gesetzt habe, um eine Aussage zu machen, legt der Zeuge dar: »Manchmal urteilt man doch, ohne genau Bescheid zu wissen, und ich hatte Angst, jemanden in die Sache hineinzuziehen, der gar nichts damit zu tun hat, nur weil er nervös ist beziehungsweise sich komisch benimmt. Als Herr Pereyra aber von seinen Befürchtungen erzählte und mir das Foto zeigte, sagte mir mein Gewissen, nun müsse ich mich doch zur zuständigen Behörde begeben und meine Meinung kundtun, und für den Fall, dass ich mich getäuscht haben sollte, würde die Justiz sich schon darum kümmern, den Irrtum aufzuklären.« Auf die Frage des vernehmenden Richters, ob er seiner Aussage noch etwas hinzuzufügen, etwas wegzulassen oder etwas zu berichtigen habe, antwortet der Zeuge mit »Nein«, womit die Vernehmung nach Verlesung der vorliegenden Niederschrift und Beglaubigung selbiger mittels Unterzeichnung durch den Zeugen und den vernehmenden Richter für beendet erklärt wird.

35
    Ich bestieg einen Bus Richtung Zentrum. Ich fahre nicht gern Auto, erst recht nicht, wenn ich nervös bin. Und ich war nervös, warum sollte ich das bestreiten? Innerlich kochte ich. Ich setzte mich auf den vordersten Sitzplatz und sah zum Fenster hinaus. Ich versuchte, mich zu beruhigen. Zunächst, indem ich wiederholt tief durchatmete. Warum nur hatte ich mit den Yogastunden aufgehört? Die Ampel an der Kreuzung Cabildo/Juramento war kaputt. Bäume, Autos, Häuser. Ich spielte mit Alicias Schlüsselbund herum. Die Yogalehrerin machte mich nervös, weil sie zu viel redete. Mit ruhiger Stimme, langsam, vom inneren Licht, der Mutter Erde, aber zu viel. Der Bus fuhr an einer Gruppe von Teenagern in Schuluniform vorbei. Es waren vier oder fünf. Ich musste an Lali denken. Für sie würde es nicht einfach sein. Sie hatte die ganze Zeit wie unter einer schützenden Glasglocke gelebt. Von den häuslichen Problemen hatte sie nie etwas mitbekommen. Von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher