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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine
Autoren: Claudia Piñeiro
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von ihrem Mann betrogen, so schmerzlich die Erfahrung für sie sein mag. Keine entgeht ihr, das ist genau wie mit den Wechseljahren, früher oder später muss jede Frau da durch. Manche merken allerdings einfach nichts davon. Besser für sie, denn so ändert sich auch an ihrem Leben nichts. Frauen, die sehr wohl etwas merken, fangen dagegen an, sich lauter Fragen zu stellen: Wer ist sie? Was habe ich falsch gemacht? Was soll ich tun, soll ich ihm verzeihen oder nicht? Wie kann ich mich an ihm rächen? Und wenn der Betreffende sich längst wieder von der anderen getrennt hat, hat sich das Ganze im Kopf zu einer derartigen Geschichte ausgewachsen, dass es kein Zurück mehr gibt. Es besteht also das Risiko, die Sache völlig unnötig und unangemessen aufzubauschen. Das wollte ich vermeiden, um bloß nicht den gleichen Fehler zu begehen wie so viele Frauen. Denn eine Frau, die mit Lippenstift ein Herz malt und »Die Deine« darunter schreibt, konnte unmöglich eine größere Rolle im Leben Ernestos spielen. Dafür kannte ich ihn zu gut, so etwas fand er furchtbar. »Er lässt nur mal ein bisschen Dampf ab«, sagte ich mir. Außerdem sind die heutigen Frauen reichlich draufgängerisch. Kaum gefällt ihnen einer, stürzen sie sich auf ihn und lassen nicht locker – wenn er da nicht zugreift, muss er sich ja blöd vorkommen. »Was solls«, dachte ich, »wozu Ernesto in die Enge treiben und attackieren, in einer Woche hat er die Dame ohnehin vergessen.« Oder etwa nicht?
    Trotzdem hieß es wachsam bleiben und dafür sorgen, dass die Beziehung sich nicht vertiefte. Ich durchsuchte also ab sofort regelmäßig Ernestos Hosen- und Jackentaschen, las seine Post, sah seinen Terminkalender durch und belauschte über den Nebenapparat seine Telefongespräche – all das, was jede Frau in einem solchen Fall tun würde. Wie erwartet, kam nichts Besonderes dabei heraus. Die eine oder andere kleine Mitteilung, das war alles. Dafür kam Ernesto jetzt immer später nach Hause, arbeitete auch am Wochenende und war schließlich so gut wie nie mehr da. Nur an den Elternabenden zur Vorbereitung von Lalis Schulabschlussfahrt nahm er teil; davon abgesehen, machte er sich nicht einmal mehr die Mühe, Bescheid zu geben, wenn er länger wegblieb. Da wurde ich schließlich doch nervös, denn sollte er tatsächlich immer mit derselben Frau unterwegs sein, könnte die Sache ein böses Ende nehmen. Eines Tages bin ich ihm hinterher. Genau genommen war es ein Dienstag. Das weiß ich noch, weil wir an dem Tag bei einem weiteren Treffen in Sachen Lalis Reise gewesen waren. Danach fühlte sich Ernesto nicht gut, was mich nicht wunderte, denn das mit der Reise nahm er fast schon übertrieben ernst. Natürlich geht es bei solchen Gelegenheiten ziemlich drunter und drüber, aber ein bisschen sollte man doch der Erziehung vertrauen, die man seiner Tochter hat zuteil werden lassen. Was bleibt einem auch anderes übrig? Aber Ernesto wollte absolut alles unter Kontrolle haben, ihm schien das Ganze höchst unzureichend vorbereitet. Kaum waren wir zu Hause, schloss Lali sich in ihrem Zimmer ein, was sie ständig tut. Ernesto und ich setzten uns in die Küche und aßen zu Abend. Da klingelte das Telefon. Ernesto ging dran. Um diese Uhrzeit rief man eigentlich nicht bei jemandem zu Hause an. Ernesto wurde noch nervöser, als er ohnehin war, fing an, mit seinem Gesprächspartner zu streiten, und ging schließlich ins Wohnzimmer, um dort in Ruhe reden zu können. Ich hob den Hörer in der Küche ab und bekam folgende Worte einer weiblichen Stimme zu hören: » … wenn du nicht sofort kommst, kann ich für nichts garantieren.« Am anderen Ende der Leitung wurde aufgelegt. Ernesto kam in die Küche zurück, bemüht, sich nichts anmerken zu lassen, aber seine Augen glänzten, und seine Mundpartie war verkrampft. »Es gibt ein Problem in der Firma, das Computersystem ist abgestürzt.« – »Reg dich nicht auf. Fahr hin und sieh dir die Sache in Ruhe an, das schaffst du schon, Erni«, sagte ich. Kurz nach ihm verließ ich das Haus, stieg in meinen Wagen und fuhr hinter ihm her. Ich sitze ungern am Steuer, erst recht nicht bei Nacht, aber hier war Gefahr im Verzug. Und ich konnte auch nicht wie im Fernsehen einfach ein Taxi bestellen und dem Fahrer sagen: »Folgen Sie diesem Auto!« Schließlich hatte ich keine Ahnung, was ich zu sehen bekommen würde. Ernesto fuhr zu dem großen Park im Stadtteil Palermo und hielt dort am See. Ich parkte in ungefähr hundert Metern
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