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Ganz die Deine

Ganz die Deine

Titel: Ganz die Deine
Autoren: Claudia Piñeiro
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unbehagliche Lage geraten. Nein, zur Polizei war er bestimmt nicht gegangen. Was geschehen war, war geschehen, und die einzigen zwei – überlebenden – Zeugen des Unglücks waren Ernesto und ich. Beide wussten wir, dass niemanden irgendeine Schuld an dem infrage stehenden Vorfall traf. »Schuld ist Quatsch«, wie mein Papa immer sagte. »Quatschkopf«, erwiderte Mama dann.
    Was Ernesto und mich anging: Unsere Pflicht war es, die Sache so schnell wie möglich zu vergessen und nach vorne zu blicken. Das würde ich zu ihm sagen, sobald er mir alles gestanden hätte. Ich war bereits bestens vorbereitet, hatte meinen Auftritt eingeübt. Und er musste schier umkommen vor Verlangen, mir das Ganze zu erzählen. Ich kannte ihn genau! Wir sind zusammen, seit wir neunzehn waren. Wir haben uns immer alles erzählt. Bis auf wenige Ausnahmen, Kleinigkeiten. Sachen, die man lieber nicht sagt, weil man den anderen damit nur verletzen würde. Seinem Partner gegenüber muss man sich umsichtig verhalten, da darf man nie nachlässig werden, sonst geht die Beziehung in die Brüche. Er hatte die Deine bis dahin mit keinem Wort erwähnt, nur zu verständlich, ich bin ihm geradezu dankbar dafür. Wie schon gesagt: Mir gegenüber verhielt er sich immer umsichtig und rücksichtsvoll. Außerdem, er gab damit zu erkennen, dass ich der Sache keine größere Bedeutung beizumessen brauchte. Wäre es wirklich wichtig gewesen, hätte Ernesto es mir ins Gesicht gesagt, er hätte reinen Tisch gemacht und sich von mir getrennt. Er gehört nicht zu den Leuten, die über längere Zeit etwas geheim halten können. Ich auch nicht.
    Zu Hause angekommen, fuhr ich in die Garage und trocknete das Auto ab. Wie hätte ich auch erklären sollen, warum es nass war. Mit irgendwelchen Lügengeschichten wollte ich mich nicht aufhalten, von wegen ich hätte plötzlich zur Apotheke gemusst, weil ich so furchtbare Zahnschmerzen gehabt hätte. Und genau an diesem Abend einen plötzlichen Todesfall erfinden wollte ich erst recht nicht. Ich mag es sowieso nicht, mir irgendwelche Märchen auszudenken – man sieht es mir außerdem sofort am Gesicht an.
    Ich ging nach oben. Lali schlief. Ein Glück, je weniger sie von dem Hin und Her in dieser Nacht mitbekam, desto besser.

4
    »Ja, bitte … «
    » … «
    »Hallo!«
    »Ist Iván da?«
    »Wer ist da, bitte?«
    »Eine Freundin von ihm.«
    »Die Freundinnen meines Sohnes haben normalerweise einen Namen.«
    »Laura … «
    »Laura … oder Lali … «
    »Ja … «
    »Iván ist da, aber er kann jetzt nicht drangehen. Er schläft gerade.«
    »Ach so … «
    »Warte, leg nicht auf! Iván hat mir alles erzählt, weißt du?«
    »Nein.«
    »Doch. Es tut mir wirklich sehr leid für dich, das, was du gerade durchmachst.«
    » … «
    »Ich als Frau kann dich verstehen … «
    » … «
    »Das ist natürlich nicht einfach … «
    » … «
    »Aber gerade als Frau muss ich dir etwas sagen, du darfst Iván nicht mehr anrufen. Das ist alles einzig und allein dein Problem … «
    » … «
    »Und, weißt du, das sage ich zu Ivi auch immer, klar, du hast es bloß gut gemeint, und natürlich war das ein Unfall, verstehst du?«
    » … «
    »Andere würden das vielleicht nicht so sehen.«
    » … «
    »Also, auf jeden Fall, für die Folgen dieses Irrtums musst du selbst aufkommen.«
    » … «
    »Denn das war ein Irrtum von dir, da verstehen wir uns doch, oder?«
    » … «
    »Mein Sohn hatte keine Ahnung, dass so etwas dabei passieren könnte. Wenn du es ihm nicht sagst, woher soll er es da wissen?«
    »Ich … «
    »Eine Frau muss immer vorher alles klarstellen.«
    » … «
    »Du und ich, wir wissen doch, dass du dich nicht korrekt verhalten hast, stimmts?«
    »Aber ich … «
    »Ich weiß nicht, was deine Eltern dazu sagen werden, ich kenne sie nicht. Und ich will sie auch gar nicht kennenlernen, dass wir uns da nicht falsch verstehen. Aber als Iváns Mutter ist mir völlig klar, wie die Sache abgelaufen ist, und ich möchte, dass du meinen Sohn in Ruhe lässt, verstehst du mich, Schätzchen?«
    » … «
    »Wenn deine Eltern etwas dazu zu sagen haben, sollen sie mich persönlich anrufen, oder meinen Mann. Denn wenn du oder einer von deiner Familie meinen Sohn weiter belästigt, muss ich euch anzeigen.«
    » … «
    »Bist du noch dran?«
    »Ja, aber ich muss auflegen.«
    »Gut, dass du angerufen hast, jetzt ist alles klar zwischen uns, stimmts?«
    »Ich muss auflegen.«
    »Viel Glück, und versuch nicht noch mal anzurufen!«
    » …
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