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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg
Autoren: Brian McGilloway
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bestens, Benedict.« Er hielt inne. Irgendetwas lag zwischen uns in der Luft wie statische Elektrizität vor einem Gewitter.
    Schließlich fuhr er fort: »Ich … ich habe heute meine Kündigung eingereicht, Benedict.«
    Wir alle hatten damit gerechnet, dass Costello in der näheren Zukunft in den Ruhestand gehen würde, doch die meisten hatten gedacht, er werde bis zu seinem sechzigsten Geburtstag im kommenden Jahr durchhalten.
    »Donnerwetter, Sir. Tut mir leid, das zu hören«, sagte ich, denn aus seinem Tonfall schloss ich, dass »herzlichen Glückwunsch« hier nicht angebracht war.
    »Zum 30.   Juni«, fuhr er fort, als hätte ich nichts gesagt.
    »Warum?«, fragte ich. »Ich meine, warum so bald, Sir? Wollten Sie nicht noch ein Jahr machen?«
    »Ich bin nicht mehr mit dem Herzen dabei, Benedict«, sagte er. »Nicht seit der Sache mit Emily.«
    Costellos Frau war einige Jahre zuvor im Rahmen einer wahren Flut von Morden im Zusammenhang mit dem Verschwinden einer Prostituierten in den 1970er-Jahren ermordet worden. Costello hatte eine Affäre mit besagter Prostituierter gehabt. »Ich verstehe, Sir«, sagte ich.
    »Ich habe es den Kindern gesagt, wissen Sie. Sie meinen auch, es ist das Beste.«
    »Irgendwelche Pläne, Sir? Angeln vielleicht?« Ich versuchte, einen lockeren Ton anzuschlagen, doch Costello ging nicht darauf ein.
    »Wie ich höre, stellen sie gerade die Beförderungsliste für ein paar neue Superintendents für die Region zusammen«, sagte er. »Genau genommen werden sie schon Mitte nächsten Monats die Gespräche mit den Bewerbern führen, von daher …«
    Ich ahnte dunkel, wohin das führen würde. »Von daher?«
    »Sorgen Sie dafür, dass Sie auch im Rennen sind, Benedict.«
    »Ich habe eigentlich noch gar nicht darüber nachgedacht, Sir«, behauptete ich beinahe wahrheitsgetreu.
    »Tja, dann tun Sie’s jetzt«, erwiderte er streng.
    »Ja, Sir. Danke – das werde ich.«
    Obwohl er schwieg, spürte ich eine Veränderung in ihm; er schien nun leichter zu atmen. Schließlich sagte er: »Ich wollte ganz oben aufhören. Ich wollte mit einem Erfolg aufhören, wissen Sie?«
    »Verstehe, Sir.«
    »Hm.« Er schien über etwas nachzudenken, sprach es jedoch nicht aus. Dann sagte er: »Bis morgen, Benedict«, und die Leitung war tot.

2
    Montag, 31.   Mai
    Im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert war Lifford der Gerichtssitz des Donegal. Das Gerichtsgebäude, eine imposante Sandsteinkonstruktion, war über dem örtlichen Gefängnis und der Irrenanstalt erbaut worden. An Markttagen wurden am Dach des Gerichtsgebäudes Verbrecher gehenkt, während sich darunter Menschenmengen von bis zu zwölftausend Personen versammelten und johlten, wenn die Viehdiebe und andere Verurteilte fünfzehn Meter über ihnen wie Fische zuckten und nach Luft schnappten. Mit den Füßen hektisch nach einem Halt an den Mauern des Gebäudes tastend und den Rücken durchgebogen, versuchten sie sich aus den Ketten zu befreien, mit denen ihnen die Hände auf dem Rücken gefesselt waren.
    In noch fernerer Vergangenheit wurden die Verurteilten an den unteren Ästen einer der drei riesigen Kastanien nahe Dardnells gehenkt, außerhalb der eigentlichen Ortschaft. Heute ist diese Stelle bebaut, eine weitläufige Wohnsiedlung befindet sich dort, die sich immer weiter Richtung Raphoe ausdehnt. Aber der Weg, über den die Verurteilten zum Galgen gebracht wurden – die Gallows Lane – existiert noch. Die Kinder hier glauben, dass es dort spukt. Auch heute noch, in einer Zeit, in der der Glaube an solche Dinge größtenteils in Vergessenheit geraten ist, behaupten sie, man könne dort an Halloween die Ketten der Verurteilten rasseln hören, und wenn man aufmerksam lausche, auch das Jammern der Verurteilten und das Knarren der längst vermoderten Äste.
    Auf ebendieser Gallows Lane war zwei Polizisten, die gerade auf Streife waren, um acht Uhr fünfundvierzig eine Person aufgefallen, die in der Nähe des hiesigen Kindergartens am Waldrand herumlungerte. Sie verfolgten die Person, verloren sie jedoch im Unterholz aus den Augen. Das Land dort gehörte Peter Webb, einem Engländer, der in Strabane in der Erwachsenenbildung tätig war. Als die beiden Polizisten das Gebiet absuchten, fanden sie ein in Kohlensäcke gewickeltes Bündel mit mehreren hundert Schuss Munition, drei Faustfeuerwaffen, zwei Schrotflinten sowie einer großen Butterbrottüte mit Ecstasy-Pillen und verschiedenen anderen Drogen.
    Das Unwetter des vergangenen Tages war
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