Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg
Autoren: Brian McGilloway
Vom Netzwerk:
Kerr und deutete auf meine Zigarette.
    »Richtig«, sagte ich. Genau genommen ist es in der Republik Irland beinahe unmöglich, irgendwo zu rauchen. Seit Monaten ist das Rauchen an sämtlichen Arbeitsplätzen verboten. Wenn man nach dem Abendessen im Restaurant eine Zigarette rauchen möchte, muss man auf die Straße gehen, wo man dann zusammen mit dem Küchenchef steht, dessen Speisen man soeben verzehrt hat. Ein Polizeiwagen gilt als Arbeitsplatz, aber wer hätte mich schon festnehmen sollen? Ich zündete die Zigarette an und blies den Rauch aus dem Fenster.
    »Sie reisen mit leichtem Gepäck. Nur ein kurzer Besuch zu Hause, Mr   Kerr?«, fragte ich.
    »Ist das eine Frage oder ein Vorschlag?«
    »Eigentlich will ich nur ein wenig mit Ihnen reden«, erwiderte ich, die Hände kapitulierend erhoben. »Haben Sie noch Familie in Lifford?«
    Kerr lächelte verkrampft. »Ich vermute, Sie wissen, dass ich keine habe. Gibt es einen besonderen Grund für dieses Empfangskomitee?«
    »Wir sind bloß besorgt, James – um Ihre Sicherheit und die anderer.«
    »Ich werde keinem etwas tun. Ich muss nur jemanden treffen.«
    »Jemand Bestimmtes?«
    »Ja«, erwiderte er, dann schaltete er die Heizung herunter und steckte die Hände in die Taschen seiner Strickjacke. »Fahren wir irgendwohin oder bleiben wir einfach hier sitzen?«
    »Wo kann ich Sie absetzen, Mr   Kerr?«, fragte ich und fuhr los.
    »Draußen in Porthall gibt es ein Bed and Breakfast.«
    »Das kenne ich.«
    »Das wäre nett.«
    Während der Fahrt sprachen wir über die Gegend. Kerr meinte, in seiner Abwesenheit habe sich viel verändert, und äußerte sich abfällig über die Bauweise einiger neuerer Gebäude.
    Als wir beim Bed and Breakfast ankamen, holte er Tasche und Schirm aus dem Fond und wandte sich dann wieder mir zu.
    »Machen Sie sich wegen mir keine Sorgen, Inspector. Ich mache keinen Ärger. Ich muss mir nur etwas von der Seele schaffen; mein Reverend meint, dass ich das tun muss. Dann bin ich wieder weg. Mich muss man nicht mehr fürchten.«
    »Hat dieses Etwas zufällig mit Raubüberfall oder Rache zu tun?«, fragte ich.
    »Weder noch. Ich werde niemandem etwas tun, Inspector, das verspreche ich Ihnen.«
    »Ich muss Ihnen wohl einfach glauben«, sagte ich. »Bitte sorgen Sie dafür, dass ich das nicht bereue.«
    »Danke fürs Mitnehmen. Gott segne Sie.« Mit diesen Worten stieg er aus, schlug die Tür zu und ging, gegen den Wind ankämpfend, zum Bed and Breakfast, in dem er angeblich für die Nacht reserviert hatte.
    Als ich später meine Sachen aus dem Auto räumte und wegen des Zigarettenrauchs kräftig durchlüftete, fand ich ein religiöses Traktat, das Kerr im Fach der Beifahrertür zurückgelassen hatte. Es trug den Titel: »Wende dich von der Sünde ab und vertraue auf mich.« Auf der Rückseite waren Name und Anschrift eines Reverend Charles Bardwell aus Coleraine aufgestempelt. Ich hätte das Blättchen beinahe zusammengeknüllt, doch dann überlegte ich es mir anders und ließ es, wo es war. Vielleicht interessierten sich ja die nächsten Nutzer des Wagens dafür.
    Abends besuchte Debbie mit den Kindern ihre Eltern, und ich blieb zu Hause, um Frank, unseren einohrigen Basset, zu baden.
    Als ich Frank gerade abgetrocknet hatte, rief Costello an. Vorgeblich wollte er sich erkundigen, wie es mit Kerr gelaufen war.
    »Hat er gesagt, was er hier will?«
    »Ich habe den Eindruck, er sucht eine Art Läuterung. Ehrlich gesagt habe ich es nicht ganz verstanden.«
    »Blödsinn, Benedict. Ich kenne Kerr schon, da war er noch ein Knirps. Sein Vater ist einmal zu uns gekommen, um Anzeige zu erstatten, weil jemand immer wieder die Fenster seines Gewächshauses einschlug. Das ging monatelang, jede Nacht oder alle zwei Nächte eine Scheibe. Am Ende hat sich herausgestellt, dass es sein eigener Sohn war. Er war sauer auf seinen alten Herrn, weil der ihm irgendein Spielzeug oder sonst etwas nicht kaufen wollte. Da war er neun. Glauben Sie mir, der bedeutet Ärger. Behalten Sie ihn im Auge.«
    »Ja, Sir«, versprach ich.
    »Ist einfach am besten, wir behalten ihn im Auge, Benedict.« Ich hörte, wie sein stoppeliges Kinn über die Sprechmuschel kratzte, sein Atem klang zerfasert. »Wie geht’s der Familie?«
    »Bestens, Sir.«
    »Gut. Das höre ich gern. Sehr gut.«
    Er schien gute Laune vortäuschen zu wollen, doch ich erkannte an der Unbestimmtheit seiner Fragen und Kommentare, dass ihm etwas zu schaffen machte.
    »Ist alles in Ordnung, Sir?«
    »Alles
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher