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Galgenweg

Galgenweg

Titel: Galgenweg
Autoren: Brian McGilloway
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Lebens über mit den örtlichen Gardai – den Polizisten von An Garda Siochana, der nationalen Polizeibehörde der Republik Irland – zu tun gehabt. Als Heranwachsender wurde er regelmäßig wegen kleinerer Delikte festgenommen: Er stahl zunächst Süßigkeiten, später dann Zigaretten, schlug Fensterscheiben ein, ließ die Luft aus Autoreifen heraus. Alles, womit er auf sich aufmerksam machen konnte, vermute ich. Er stand in dem Ruf, ausfallend zu werden, wenn er vernommen wurde, und einmal spuckte er einem Polizisten ins Gesicht, der von einem örtlichen Ladenbesitzer alarmiert worden war, nachdem er Kerr bei dem Versuch, ausgerechnet eine Frauenzeitschrift zu stehlen, erwischt hatte.
    Kerrs Leben erreichte einen ersten Tiefpunkt, als er sich in eine siebzehnjährige Nachbarstochter, Mary Gallagher, verguckte. Ihre aufkeimende Beziehung schien Kerr zunächst auf dem rechten Weg zu halten, bis er nur eine Woche vor seinem sechzehnten Geburtstag erfuhr, dass Mary seine Halbschwester war, das Resultat einer der heimlichen Affären seines Vaters. Noch komplizierter wurde die Situation, als sich herausstellte, dass Mary von James schwanger war, und man das Mädchen, wie in den engstirnigen Städtchen Irlands üblich, zu ihrer Tante nach England schickte. Von da an wurde James zum unsteten Protagonisten seiner ganz persönlichen griechischen Tragödie.
    Kerrs Mutter trennte sich von ihrem Mann und begann eine Affäre mit einem Lehrer aus Strabane, dessen Sohn mit James zur Schule ging. James wechselte vom Süßigkeitendiebstahl zum Schnüffeln von Klebstoff und zu Spritztouren in gestohlenen Autos auf den Nebenstraßen im Grenzgebiet. Irgendwann wickelte er eines seiner gestohlenen Autos um eine Eiche auf der Nebenstraße nach Clady und brach sich das Handgelenk. Er erhielt ein zehnjähriges Fahrverbot, und hätte er einen Führerschein besessen, wäre er ihm entzogen worden. Eigentlich hätte er auch eine Geldbuße auferlegt bekommen müssen, doch da sein Anwalt seine Mittellosigkeit anführte, wurde James stattdessen zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt und musste sich drei Monate lang um die Blumenbeete in und um Lifford kümmern.
    Schließlich wurde Kerr auf der Flucht vom Schauplatz eines bewaffneten Raubüberfalls gleich hinter der Grenze schwer verletzt und von der Royal Ulster Constabulary ( RUC ), dem Vorgänger der heutigen nordirischen Polizei Police Service of Northern Ireland ( PSNI ), verhaftet. Er hatte beinahe acht Jahre seiner zwölfjährigen Freiheitsstrafe abgesessen, ehe er angeblich zu Gott fand und am Freitag vor meiner Begegnung mit ihm wegen guter Führung vorzeitig aus der Haft entlassen wurde.
    All dies hatte Superintendent Costello mir an diesem Sonntagmorgen in seinem Büro erzählt. Costello war vom PSNI benachrichtigt worden, dass Kerr aus dem Maghaberry-Gefängnis entlassen worden sei. Seitdem hatte Costello jemanden an der Grenze postiert, der darauf warten sollte, dass Kerr hier auftauchte – was er schließlich ja auch tat.
    »Ich möchte nicht, dass Kerr hierher zurückkommt und Ärger macht, Benedict. Wenn er kommt, überzeugen Sie ihn davon, dass er auf der Nordseite der Grenze bleibt, ja?«
    »Was hat er denn getan?«, fragte ich.
    »Anscheinend hat er Jesus gefunden; deshalb haben sie den kleinen Scheißer auch rausgelassen.«
    »Vielleicht hat er ihn wirklich gefunden«, meinte ich.
    »Wen?«
    »Jesus.«
    »Das bezweifle ich«, sagte Costello. »Wenn Jesus wüsste, dass Kerr nach ihm sucht, dann hätte er sich versteckt. Kerr bedeutet Ärger, Benedict.«
    Und dann hatte er mir die Hintergründe erklärt. Während des Gerichtsverfahrens und seiner darauf folgenden Haftstrafe hatte Kerr immer wieder seine Unschuld beteuert, und der Kommission für Haftentlassungen hatte er erzählt, dass er nach seiner Entlassung als Erstes seine Sünden büßen wolle, und zwar durch Versöhnung, wie die Bibel es ihn gelehrt habe.
    Als ich das hörte, konnte ich verstehen, warum Costello ihn nicht auf unserer Seite der Grenze haben wollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach log Kerr, und das würde genau die Art von Ärger bedeuten, die wir wirklich nicht brauchen konnten.
    »Werden alle ehemaligen Knackis so empfangen, Inspector, oder nur ich?«, fragte Kerr und hielt seine violett angelaufenen Finger vor das Heizgebläse, was ich als Aufforderung verstand. Ich stellte also die Heizung an und betätigte zugleich den eingebauten Zigarettenanzünder.
    »Ist das hier nicht verboten oder so?«, fragte
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