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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel
Autoren: Jakob Maria Soedher
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interessiert mich auch nicht.« Es klang nicht einmal zynisch.
    Schielin verbarg seine Verwunderung. Er hatte an ihrer höflichen und bestimmten Art, mit welcher sie versuchte das Gespräch zu bestimmen, gemerkt, dass es weniger auf das ankam, was sie sagte, als vielmehr darauf, wie sie es sagte. Also galt seine Aufmerksamkeit in besonderem Maße den Untertönen und Schwingungen ihrer Stimme. Die Festigkeit ihrer Stimme, die Bestimmtheit, mit der sie ihre Worte gesprochen hatte, im Einklang mit ihrem von jeglicher emotionaler Regung befreitem Gesichtsausdruck. Diese gelungene kleine Inszenierung machte Schielin klar, dass ihr letzter Satz eine Lüge gewesen war. Sie interessierte sich sehr wohl für alles, was mit ihrem Mann zu tun hatte. Und noch etwas war ihm aufgefallen. Die Selbstverständlichkeit in welcher ihr die Vergangenheitsform über die Lippen ging. Als spräche sie von einem schon lange Verstorbenen und nicht von einem wenige Tage vermissten Mann. Diese wunderschöne Frau verbarg etwas vor ihm und – sie unterschätzte ihn. Im Moment jedoch fehlten ihm die erforderlichen Informationen, um ihr mit Fragen zusetzen zu können. Daher entschied er sich für die althergebrachten Standards.
    »Wann haben Sie ihren Mann denn zuletzt gesehen, oder mit ihm telefoniert.«
    Sie überlegte nicht. »Letzte Woche … wir telefonierten.«
    »In welcher Angelegenheit?«, fragte er höflich aber so schnell nach, dass deutlich wurde, dass er nicht gewillt war sich abfertigen zu lassen. Und da er sich sicher war, dass diese Frau wusste, welche Ausstrahlung ihr anheim gegeben war, sollte sie wissen, dass ihn das trotzdem nicht vergessen ließ, aus welchem Grund er hier war.
    Sie beugte sich nach vorne und zog eine Zigarette aus dem Lederetui, das auf dem Tisch lag. Dabei rutschte der Ärmel ihrer Bluse ein Stück nach hinten und gab den Blick auf einen gebräunten Arm frei. Schielin fiel das Spiel der Muskeln auf. Sie vollzog ihre Bewegungen langsam, als genösse sie jede Sekunde, die dabei verstrich. Zeit, welche ihr Gegenüber verstreichen lassen musste. Warten musste. Sie zündete die Zigarette mit einem kleinen goldenen Feuerzeug an, inhalierte genüsslich und blies den Rauch mit in den Nacken geworfenem Kopf und geschürzten Lippen unter die Markise.
    »Geld«, sagte sie dann ruhig, legte dabei den Kopf schräg und blickte Schielin ausdruckslos an. Schielin blieb gelassen. Hier wurde kein Gespräch geführt, sondern Machtpositionen geklärt.
    »Gab es finanzielle Probleme?«, formulierte er die Frage sehr allgemein.
    »Ich habe wahrhaftig keine finanziellen Probleme und gehe davon aus, Kandras hatte die ebenfalls nicht«, lautete die knappe Antwort.
    Es war das erste Mal, dass sie direkt von ihrem Man sprach und es tat ihm fast weh, welche Distanz sie damit fähig war auszudrücken. Schielin überspielte seine kurze Verunsicherung mit einem freundlichen Nicken, das sicher etwas dümmlich wirkte, und überlegte; wie Kandras eigentlich mit Vornamen hieß, bevor er weitersprach.
    »Das ist gut, wenn man das sagen kann, keine finanziellen Probleme zu haben. Aber wenn Sie seit Jahren kaum noch Kontakt mit Ihrem Mann hatten, woher wissen Sie dann so genau über seine geschäftlichen Verhältnisse Bescheid?«
    »Weil es meine geschäftlichen Verhältnisse sind«, entgegnete sie mit einem Lächeln und blies betont langsam den Rauch des letzten Zuges zur Seite weg, was dem Akt eine laszive Note gab.
    Schielin wartete, bis sie sich ihm wieder zuwandte, und sah sie stumm an. Sie würde schon weitersprechen, denn eines war ihm klar geworden. Sie war auf seinen Besuch vorbereitet. Wie er vermutete, kam sie seiner Erwartung nach und setzte ihre Erklärung fort.
    »Die Verwaltungsgesellschaft befindet sich mehrheitlich in meinem Besitz. Kandras war daran beteiligt und hat die Geschäfte geführt. Daneben war er als selbstständiger Immobilienmakler tätig. Auch wenn wir uns getrennt hatten, gab es keinen Grund für mich, geschäftlich getrennte Wege zu gehen. Anfangs hatte ich das zwar vor, doch man muss das voneinander trennen können, und es wäre auch eine sehr komplexe Sache geworden, von der nur Anwälte profitiert hätten.«
    »Mhm. Und es gab niemals Irritationen oder dergleichen?«
    Sie lächelte wohlwollend. »Nein. Nie. Unsere Anwälte haben das geregelt.«
    »Wie kann ich denn die Formulierung unsere Anwälte verstehen«, hakte Schielin nach.
    Sie lächelte milde. »Die Anwälte meiner Familie.«
    »Ah ja.«
    Schielin
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