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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel
Autoren: Jakob Maria Soedher
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begabt sein, Musik, oder so.
    Schielin ließ nur ein nachdenkliches »Mhm« hören. Sie schwiegen für eine Weile und jeder hing seinen Gedanken nach.
    »Und du meinst an der Sache ist was Ernsthaftes dran? Vermisst? Ausgerechnet der Kandras?«, fragte Funk ungläubig.
    »Schaut im Moment durchaus danach aus. Sein Porsche ist seit dem Wochenende in der Fahndung und bisher liegt null Ergebnis vor. Das ist bei so einer Kiste wirklich ungewöhnlich, oder? Das hat doch jede Streife sofort im Blick und normalerweise ist es in zwei, drei Tagen erledigt.«
    Funk überging das Gesagte weil es selbstverständlich war.
    »Na ja. Schon ein eigentümliches Gespann, der Kandras und der Banker«, sagte er nachdenklich und schob ein paar Blatt Papier hin und her. »Der See hier zieht solche Leute an, oder er macht sie.«
    Schielin nahm den Kopf zurück und sah ihn fragend an. Funk erklärte. »Es gibt hier am See eben einmal die Nur-Reichen. Man kennt sie. Dann sind da die Reichen und Schönen, wobei es sich dabei in der überwiegenden Zahl um Reiche handelt, die sich die Schönheit durch Heirat in die Familie geholt haben. Schließlich die äußerst seltene Art der Gebildeten und Reichen. Das sind die Scheuesten; sie halten sich vornehm zurück, genießen den See, das Leben, ihre relative Anonymität und meiden die Öffentlichkeit. Schließlich noch die Ganz-schön-Reichen …«
    »Und was ist mit den Schönen-Gebildeten-Reichen« , fragte Schielin lächelnd nach.
    Funk winkte ab. »Gibt’s nicht.«
    »Zu welcher Gruppe gehört denn Kandras?«
    »Ganz schön reich«, lautete Funks trockene Antwort.
    »Und Kehrenbroich?«
    »Reichlich gebildet.«
    Schielin schüttelte den Kopf. »Wie kommst du bloß auf so ein Zeug?«
    Funk zuckte mit den Schultern. »Man macht sich halt so seine Gedanken und legt sich eine eigene kleine, übersichtliche Welt zurecht. Und in meinem Metier kommt man im Laufe der Zeit zwangsläufig dazu, die Kundschaft auch jenseits der ordnenden Kraft von Tatbeständen einzuteilen. Muss ja nicht richtig sein. Wenn ich zum Beispiel bei der Sitte wäre, dann …«, er unterbrach sich selbst mit einer unwirschen Handbewegung, sah zu Schielin und fragte: »aber Mal was ganz anderes, Conrad! Was macht eigentlich Ronsard?«
    Schielin schob sich langsam aus dem Sessel, verzog sein Gesicht, wobei nicht deutlich wurde, ob ihm Funks Frage oder ein körperliches Gebrechen Schmerzen bereiteten.
    »Schreit nicht mehr«, entgegnete er nüchtern.
    Funk knurrte, wog stumm den Kopf.. »Und wo steckt Lydia?«
    »Überstunden«, murrte Schielin und tappte nachdenklich zum Büro zurück, wo er sich daran machte die erforderlichen Routinearbeiten zu erledigen.
    Er telefonierte mit Kandras Frau und vereinbarte ein Treffen noch am Vormittag. Kehrenbroich war wegen einer Besprechung nicht zu erreichen. Seine Sekretärin sagte ihm aber für den Nachmittag einen Termin zu. Nachdem er kurz darauf mit den Kollegen vom Streifendienst gesprochen hatte, um sich zu vergewissern, dass keine neuen Informationen vorlagen, ging er zu Kimmel, dem Kripochef, und unterrichtete ihn über den Sachstand. Dann holte er sich ein Auto und machte sich auf den Weg.
    Nur noch der alte grüne BMW war frei. Die Sitze waren durchgesessen, die Kiste hatte keine Servolenkung und im gesamten Landkreis war das Auto als Bullenkiste bekannt. Bremsen und Lenkung funktionierten mehr oder weniger mechanisch, was Schielin in den beiden Aeschacher Kreiseln deutlich feststellen musste. Seine Kolleginnen weigerten sich aus genau diesem Grund mit dem Auto zu fahren, was bei Kaffeerunden freudigen Anlass zu pseudofundamentalen Diskussionen zum immer wieder auflodernden Thema Frauen bei der Polizei Anlass gab.
     
    Langsam gluckerte der BMW durch die Wackerstraße und erreichte kurz darauf die Schachenerstraße. Anna Kandras wohnte zwar nicht direkt am Seeufer, aber gleich in nächster Nähe. Er war gespannt auf die Frau. Am Telefon hatte sie eine angenehm unaufgeregte Stimme. Nein, das war nicht korrekt, widersprach er sich in Gedanken – sie hatte eine erotische Stimme. Er versuchte sich vorzustellen, wie sie wohl aussah, ließ die Spielerei aber gleich wieder sein und bog in den Lindenhofweg ein. Anna Kandras Haus verbarg seine Schönheit hinter einer undurchsichtigen Umfriedung aus Hecken und Büschen, die wiederum einen Stahlzaun versteckten. Schielin klingelte an der eisenbeschlagenen Holztür und wurde sofort eingelassen. Vom Haus her war Hundegebell zu hören. Es klang
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