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Galaxis Science Fiction Bd. 07

Galaxis Science Fiction Bd. 07

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 07
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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Alles…«
    »Effie, er hat dir Lügen erzählt«, unterbrach sie Hank, doch seine Stimme hatte immer noch diesen gebrochenen, bedrückten Klang.
    »Alles, was noch da draußen lebte, wurde gereinigt«, fuhr sie mit klingender Stimme fort. »Ihr Männer, die ihr nach draußen gegangen seid, habt es nie gesehen, denn ihr hattet keine Augen dafür. Ihr wäret blind gegenüber dieser neuen Schönheit, blind gegenüber dem Leben. Aber inzwischen hat sich der Staub schon lange ausgebrannt, seine Kraft ist dahin. So ist es doch, nicht wahr?«
    Ihr Lächeln bat Patrick, ihre Worte zu bestätigen, aber er schien nicht zu hören. Auf seinem Gesicht lag ein seltsam verschleierter Ausdruck, als ob seine Gedanken nicht in diesem Raum, sondern draußen in den Gärten jenes Zauberlandes weilten. Effie hatte erwartet, daß er nicken würde, aber er tat es nicht. Sie wandte sich wieder an ihren Mann.
    »Verstehst du, was das bedeutet, Hank? Wir alle können jetzt wieder hinaus. Wir brauchen nicht länger den Staub zu fürchten. Patrick ist der lebende Beweis dafür.«
    Ihre Stimme klang triumphierend. Sie hatte sich hoch aufgerichtet, und ihr Arm umklammerte den fremden Mann. »Schau ihn dir an! Keine Narbe, kein Brandmal ist auf seinem Gesicht, und er lebt schon jahrelang da draußen in dem Staub. Wie kann er so aussehen, wenn der Staub dem Mutigen etwas anhaben könnte? Oh, glaube mir, glaub dem, was deine Augen dir sagen. Prüfe ihn meinetwegen, prüfe Patrick hier!«
    »Effie, du bist aufgeregt. Du weißt nicht –«
    Hanks Stimme brach ab. Seine Worte hatten keineswegs überzeugt geklungen.
    »Prüfe ihn!« wiederholte Effie voller Vertrauen und übersah – ja, bemerkte nicht einmal – Patricks warnenden Rippenstoß. »Also gut«, murmelte Hank. Er schaute den Fremden aus trüben Augen an. »Können Sie zählen?«
    Patricks Gesicht war ein einziges Nichtverstehen. Dann plötzlich begann er zu sprechen. Seine Stimme war wie das Florett eines Fechters – leicht und glänzend, spielerisch und trotzdem immer auf der Hut.
    »Ob ich zählen kann? Mann, halten Sie mich für einen völligen Schwachkopf? Natürlich kann ich zählen.«
    »Dann zählen Sie sich!« sagte Hank und machte eine kaum merkliche Handbewegung in Richtung auf den Tisch.
    »Mich selber zählen soll ich?« gab der andere mit einem schnellen Auflachen zurück. »Sind wir hier vielleicht in einem Kindergarten? Aber wenn Sie es wollen, bitte!« Seine Worte überstürzten sich. »Ich habe zwei Arme, zwei Beine, das gibt vier. Und zehn Finger und zehn Zehen – Sie glauben mir das doch, oder? – das gibt vierundzwanzig. Ein Kopf, fünfundzwanzig – und zwei Augen, eine Nase, ein Mund –«
    »Damit meine ich«, sagte Hank schwerfällig und trat an den Tisch. Er nahm den Geigerzähler, schaltete ihn ein und reichte ihn dem andern Mann.
    Aber noch während sich das Gerät eine Armeslänge von Patrick befand, begann es wütend aufzuklicken, schneller, immer schneller, bis das Ticken dem geschäftigen Geschwätz eines kleinen Maschinengewehrs ähnelte. Plötzlich verlangsamte sich sein Tempo, aber der Grund war nur darin zu suchen, daß der Zähler auf eine neue Maßeinheit übergewechselt hatte, in der jedes Klicken für 512 der früheren stand.
    ZUGLEICH mit diesen schrecklichen rasselnden kleinen Salven kehrte die Furcht wieder in den Raum zurück. Sie füllte ihn fast körperlich an und zerbrach wie buntes Glas alle die glänzenden Wortbarrieren, die Effie vorher gegen sie errichtet hatte. Denn keine noch so schönen Träume, keine noch so großen Sehnsüchte können gegen einen Geigerzähler bestehen, das Sprachrohr des zwanzigsten Jahrhunderts für die letzte unverrückbare Wahrheit. Es war, als ob der Staub und all die Schrecknisse, die der Staub mit sich brachte, plötzlich Gestalt angenommen hatte und ihnen mit unüberhörbaren Worten zuschrie: Jenes waren Illusionen, Flöten und Schalmeien in der Nacht. Das aber ist die Wirklichkeit, die erbarmungslose Wirklichkeit der Höhlenjahre.
    Hank flüchtete zurück, preßte sich an die Wand. Durch klappernde Zähne stammelte er: »… genug Strahlung… tausend Menschen zu töten… Monster… ein Monster…« In seiner Aufregung vergaß er ganz, durch den Respirator zu atmen.
    Selbst Effie, gegen deren Schläfen plötzlich die ihr in langen Jahren eingedrillte Furcht mit harten Schlägen hämmerte, schreckte vor der jetzt auf einmal einem Skelett ähnelnden Gestalt des Mannes zurück. Nur Verzweiflung war es, die sie
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