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Galaxis Science Fiction Bd. 06

Galaxis Science Fiction Bd. 06

Titel: Galaxis Science Fiction Bd. 06
Autoren: Lothar (Hrsg.) Heinecke
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Luft des Strandes fand ich schließlich Wainer und sagte es ihm.
    Zuerst hörte er mir gar nicht zu. Ich wiederholte es. Ich erzählte ihm, was die Ratios herausgefunden hatten. Er stand da und atmete schwer. Er hatte sein Gesicht der Sonne und der heranrollenden See zugewandt. In diesem Augenblick wußte ich, was er dachte.
    Was die Ratios mir gesagt hatten, war folgendes:
    Die Schrumpfung der Lungen war nicht die eigentliche Krankheit. Es war nur das hervorstechendste Symptom, und es widerfuhr nur Rejekts. Nach Jahren eingehender Untersuchungen konnte – mit Vorbehalten – gesagt werden, daß die Krankheit nicht einmal eine richtige Krankheit war, sondern mehr eine Veränderung evolutionärer Art. Viele Jahre hatte man nach der Ursache geforscht, warum es überhaupt Rejekts gab, und der zwingende Schluß – den man der breiten Masse wohlweislich vorenthalten hatte – schien der zu sein, daß diese Ursache in einem nicht feststellbaren Unterschied in der Gehirnstruktur der Rejekts zu suchen war, etwas, was sich jeder Definition entzog, etwas unergründlich Subtiles und grundlegend Verschiedenes von dem Gehirn der Ratios. Dasselbe galt für die Lungen und noch viele andere Teile des Körpers. Und die Wissenschaftler nahmen an, diese Unterschiede wären das Ergebnis einer Weiterentwicklung des Menschen.
    Das war es, was ich Wainer erzählte, und noch mehr, während sich auf seinem zerklüfteten Gesicht langsam der Widerschein eines inneren Friedens ausbreitete. Ich sagte, daß es die Art des Lebens wäre, zu wachsen und sich anzupassen, und daß niemand wüßte, warum. Die ersten lebenden Zellen entwickelten sich im Meer und lernten erst langsam und mühselig, sich dem Leben auf dem Lande anzupassen.
    Später erhoben sie sich sogar in die Luft, und jetzt wäre nur noch ein letzter Schritt zu tun.
     



 
    Die nächste Phase der Entwicklung würde der Schritt in den Weltraum sein, und jetzt war es offensichtlich, was Wainer war – was alle Rejekts waren.
    Wainer war ein Bindeglied – noch unvollkommen, tastend, unfertig. Ein Zwischenglied in der langen Kette der Entwicklung des Lebens aus dem Urschlamm der Planeten zum Weltraummenschen, der Übergang vom homo sapiens zum homo spatium.
    Meine Worte bedeuteten für ihn mehr, so glaube ich, als jemand sich wohl vorstellen kann. Endlich sah er ein Ziel, eine Bestimmung. Aber es war noch mehr. Endlich hatte er seine Heimat gefunden. Er war ein Teil des unendlichen Universums, mehr als jeder andere vor ihm es jemals gewesen war. In dem unüberschaubaren ewigen Plan, den nur ihr und euere Art erfassen könnt, war Wainer ein wichtiger Baustein, ein neuer Anfang. Alle die langen Jahre waren schließlich doch nicht vergeudet gewesen. Der Schmerz in seinen Lungen war der Schmerz, den Luft und Staub ihm bereiteten.
    Wainer schaute mich an, und nie werde ich diesen Blick vergessen. Es war der Blick eines Mannes, der seinen Frieden gefunden hatte, der endlich den Sinn seines Lebens erkannt hatte.
    Weil SIE mehr wußten, als der alte Mann je wissen konnte, waren SIE ganz in sich versunken, und die Stille im Raum war vollkommen, als der alte Mann schwieg. Aber er war müde und beeilte sich, zum Ende zu kommen, während SIE – nichtatmend, unsterblich, telepathisch und noch mehr, die unbegreiflich nächste Stufe in der Entwicklung des Menschen – hörten und lernten.
    ER lebte noch ein halbes Jahr – lange genug, um an den von den Ratios geplanten Experimenten teilzunehmen und die Zehnte Symphonie zu schreiben. Selbst die Ratios konnten die Zehnte nicht ignorieren.
    Sie war Wainers Abschiedsgesang – eine erhabene triumphierende Zusammenschau all seiner Hoffnungen und Wünsche für die Zukunft des Menschengeschlechts. Sie war mehr als Musik.
    Sie war eine Kathedrale aus Tönen.
    Sie war Wainers Seele.
    Er erlebte nicht mehr, wie sie aufgeführt wurde, er erlebte nicht mehr, wie er berühmt wurde – aber ich weiß, daß es ihm jedoch letzten Endes auch gleichgültig gewesen wäre.
    Denn Wainer ging in den Weltraum. Endlich ging er hinaus in die dunkle süße Heimat zwischen den Sternen – dem einzigen wirklich großen Augenblick entgegen, den er immer ersehnt hatte und den er nun endlich haben würde.
    Die Ratios wollten sehen, wie seine Lungen in den Atmosphären fremder Planeten reagieren würden. Nicht in einem Laboratorium – Wainer hatte sich geweigert, das zu tun – sondern draußen unter freiem Himmel, draußen in der Luft jener Welten selbst.
    Auf einem Dutzend
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