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Gabriel oder das Versprechen

Gabriel oder das Versprechen

Titel: Gabriel oder das Versprechen
Autoren: Wolfgang Voosen
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sofortigen
Ausschluss.«
    »Ist ja eigentlich auch richtig so.
Vielleicht können wir ja nachher in der Pause oder nach der
Veranstaltung …« In seinen Satz hinein ertönte das Klingelzeichen.
Niko erhob sich nur zögernd, so als fiele es ihm schwer, sich von
Sandra zu lösen. Er hielt sich etwas verlegen mit Daumen und
Zeigefingern an der Tischkante fest, blickte ihr in die Augen und
nickte ihr kurz zu. Sandra erwiderte seinen Blick und sagte: »Dann
bis nachher!«  
     
    *
    Vera hatte das Gespräch ganz
gefangen genommen. Wie süß, dachte sie. Was für ein netter junger
Mann. Gegensätzlicher hätten die beiden Gespräche wirklich nicht
verlaufen können. Erst so ein selbstgefälliger Macho und dann
dieser Typ, den jede Mutter gerne in die engere Wahl der
potenziellen Schwiegersöhne gezogen hätte. Vera bat diejenigen, die
sich von ihren Gesprächspartnerinnen aus Interesse oder aus
Gedankenlosigkeit nur schwer loseisen konnten, jetzt doch bitte die
Plätze zu tauschen, damit keine Verzögerung einträte. Nach
vollzogenem Platzwechsel wandte sie sich dann endlich den Dingen
zu, die noch zu erledigen waren, und verfolgte die Gespräche nicht
weiter. Kurz vor Ende der fünften Runde ging sie nach draußen, um
Carlo über die bevorstehende Pause zu informieren, damit er schon
einmal die ersten Vorbereitungen treffen konnte.
    *
    Die weiteren Gesprächsrunden
verliefen ohne irgendwelche nennenswerten Zwischenfälle, was nicht
immer der Fall war. Manchmal gab es im Anschluss an die
Tischgespräche draußen an der Bar unliebsame Entgleisungen. Schuld
daran war fast immer der Alkohol und die meist richtige
Einschätzung von Teilnehmern, kaum ein ›Ja‹ auf den Karten erhalten
zu haben. Das führte zu Frust und der schlug um in Aggression. In
solchen Situationen war Vera froh, sich auf Carlo verlassen zu
können, der regelmäßig ins Fitnessstudio ging.
    Erst gegen Elf verließen die letzten
beiden Teilnehmer das Lokal. Vera war überhaupt nicht verwundert,
dass es sich um Sandra Niemetz und Niko Altmann handelte. Der
Altersunterschied betrug ziemlich genau acht Jahre, aber das schien
die beiden nicht zu stören. Die Vertrautheit, mit der sie
miteinander sprachen, erweckte bei ihr den Eindruck, dass der Abend
für beide noch lange nicht zu Ende sein würde.
    Vera war sich auch sicher, dass
beide die meisten ›Ja‹ auf ihren Karten eingeheimst hatten. Häufig
kümmerte sie sich erst am nächsten Morgen um die Vervollständigung
der Karten, die Auswertung und die entsprechenden E-Mails an ihre Kunden. Diesmal aber war sie
neugieriger als sonst und wollte in ihrem zur anderen Seite des
Bistros gelegenen kleinen Büro die Karten noch schnell durchsehen
und mit den üblichen Daten auf der Rückseite ergänzen. Ihre
Menschenkenntnis, die sie sich im Laufe der Jahre erworben hatte,
enttäuschte sie nicht. Sandra und Niko waren die klaren ›Sieger‹
des Abends. Während Sandra allerdings von allen männlichen
Teilnehmern ein ›Ja‹ bekommen hatte, waren es bei Niko nur vier
weibliche Ja-Stimmen. Das führte Vera auf sein junges Alter zurück,
wodurch schon die meisten aus der Damen-Riege entfielen, da die
Teilnehmerinnen - bis auf zwei Ausnahmen - alle zwischen Mitte 30
und Ende 40 waren. Vera kam nach gut einer halben Stunde zurück ins
Bistro. »Dann bis morgen, Carlo! Wen fandest du denn besonders
attraktiv?« Noch bevor er antworten konnte, meinte sie: »Nein, lass
mich raten. Sandra, die kleine Brünette, mit der guten Figur.
Stimmt's?«
    »Das war ja wohl nicht schwer zu
erraten«, antwortete Carlo. »Bei der Figur …« - er machte eine
kleine Pause und zeichnete mit der Rechten ein ›S‹ in die Luft -
»muss sie wohl jedem gefallen haben!«
    »Richtige Antwort!
100%-Quote!«
    »Wie? Alle haben sie angekreuzt?!
Das ist ja wie bei der Tombola. Freie Auswahl! Da wird sie ja die
nächsten Wochen ganz schön Verkehr haben … ich meine
E-Mail-Verkehr«, grinste Carlo und lachte seine Chefin entwaffnend
an.
    »Gut, dass du solche Sprüche für
dich behältst, wenn die Gäste noch hier sind.«
    »Ehrensache, Chefin. Aber ich muss
schon sagen, die hat was. Ein Mordsschuss!«
    »Carlo!«
    »Na ja, das müssen Sie doch zugeben.
Das ist schon eine echte Augenweide!«
    »Stimmt, aber ich glaube die Karten
sind bereits gemischt. Der junge Niko scheint das Rennen zu machen,
wenn mich mein sechster Sinn nicht täuscht.«
    »Aber der Altersunterschied ist doch
ziemlich groß!«
    »Ist das ein Hindernis?«
    »Ganz und gar
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