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Gabriel oder das Versprechen

Gabriel oder das Versprechen

Titel: Gabriel oder das Versprechen
Autoren: Wolfgang Voosen
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was
werden?« Wieder verstand er nicht ihre triefende Ironie und versank
wie ein mit rudernden Armen im Moor langsam aber sicher
Ertrinkender.
    »Also mal ganz ehrlich, Sandy,
Tschuldigung, Sandra. Guck dich doch mal um. Siehst du da
irgendeinen anderen Typen, der es wert ist, von dir erhört zu
werden? Das sind doch alles Dünnbrettbohrer oder Opas, die's nicht
mehr bringen…«
    »Und du bringst es?«
    »Worauf du wetten kannst. Also
drei-, viermal pro Nacht ist bei mir immer drin. Und wenn ich dich
so ansehe«, dabei stierte er wieder unverhohlen auf ihre Brüste und
wiegte seinen Kopf hin und her, »holst du aus mir noch ne kleine
Extrarunde raus!«
    »Das klingt ja wirklich verlockend!
Da musst du dich vor Angeboten ja kaum retten können!«
    »Also nachts alleine, kenne ich gar
nicht mehr.«
    »Das muss aber doch richtig
anstrengend sein!«
    »Nö, wieso?«
    »Also wenn ich jetzt mal nachrechne,
dann kommst du ja im Monat so auf etwa
100-mal…«
    »Versteh ich nicht!«
    »Soll ich's dir mal
vorrechnen?«
    In diesem Moment riss der Klingelton
Vera aus ihren Gedanken. Was gibt es bloß für selbstverliebte
Machos! Wenn Dummheit wehtäte, müsste der den ganzen Tag schreien.
Sollte der sich noch mal anmelden, ist leider alles schon
ausgebucht, ging es ihr durch den Kopf. Dann wandte sie sich an
ihre Gäste und bat die männlichen Teilnehmer, am nächsten Tisch
Platz zu nehmen. Eigentlich wollte Vera sich nun tatsächlich ihren
Aufzeichnungen und Listen zuwenden. Aber das nächste Gespräch von
Sandra wollte sie sich auf gar keinen Fall entgehen lassen. Denn
diesem Paar hatte sie vorhin, als sie sich einen allgemeinen
Überblick verschafft hatte, die meisten Chancen auf ein ›Danach‹
und ein ›Vielleicht-auch-mehr‹ eingeräumt. Und so folgte sie einem
weiteren Gespräch.
    *
    »N'Abend, ich heiße
Niko.«
    »Ich bin Sandra. Ist Niko die
Abkürzung von Nikolaus?«
    »Nein, ich bin so getauft
worden.«
    »Warst du schon öfter
hier?«
    »Nein, ich bin noch nicht lange in
Wuppertal und dachte mir, das musst du mal
ausprobieren. Wollte einfach mal wissen,
wie das hier so läuft.«
    »Also neugierig?«
    »Eher wissbegierig!«
    »Und woher kommst du?«
    »Ursprünglich aus Köln. Absolviere
aber zurzeit eine Ausbildung bei einem Münchener Versicherer
…«
    »Und was machst du dann
hier?«
    »Bin für ein paar Monate im Rahmen
eines Trainee-Programms in Wuppertal.«
    »Dann kannst du dich sicherlich
nicht über zu wenig Arbeit beklagen!«
    »Da hast du leider Recht und deshalb
habe ich auch kaum Gelegenheit, jemanden
kennen zu lernen.«
    »Dann ist das doch hier genau das
Richtige!«
    »Finde ich auch. Und was machst du
so?«
    »Bei mir ist das so ähnlich. Ich
habe einen kleinen Damen-Frisiersalon in Barmen. Also tagsüber
keine Chance, mal abgesehen von ein paar
Vertretern, sich mit einem Mann zum Essen
oder zum Tanzen zu verabreden.«
    »Tanzt du gerne?«
    »Ja. Du auch?«
    »Schon, aber das, was so in den
Discos abgeht, hat ja mit Tanzen nicht wirklich was zu
tun.«
    »Das heißt, du kannst richtig
tanzen?«
    »Ja, und mache das auch
gern.«
    »Da sitzt mir ja einer von der
aussterbenden Spezies gegenüber«, lachte Sandra. Ihr Lächeln gefiel
ihm. Das, was sie sagte, machte ihn ein wenig verlegen und er
wusste nicht, was er antworten sollte. Er schwieg, betrachtete sie
still und hielt ihrem Blick stand.
    Sie unterhielten sich noch eine
Weile über ihre Hobbys und Reisen, die sie in den letzten Jahren
unternommen hatten. Offensichtlich hatten beide eine Vorliebe für
Urlaube im Süden, vor allem auf den Kanaren. »Wie alt bist du
eigentlich?« fragte sie unvermittelt. »In Kürze werde ich 24«,
antwortete Niko, dem schon zu Beginn der
Veranstaltung sofort klar geworden war, dass er mit Abstand der
jüngste Teilnehmer sein würde. »So jung noch? Du wirkst älter.
Vielleicht weil man sich so gut mit dir unterhalten
kann.«
    »Und du, wie alt bist du? Oder darf
ich das nicht fragen?«
    »Natürlich darfst du fragen. 31 bin
ich.«
    »Da habe ich mich aber gewaltig
verschätzt. Höchstens 28 habe ich eben gedacht, als ich an deinen
Tisch kam.«
    »Jetzt schwindelst du aber,
oder?«
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Du
wirkst total jugendlich. Schade, dass die Zeit gleich schon vorbei
ist. Ich glaube, ich könnte mich den ganzen Abend mit dir
unterhalten.«     
    »Mal sehen, aber erst müssen wir
noch ein paar Runden überstehen. Ich würde gerne aussteigen, aber
das führt nach den Regeln hier zum
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