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Fußball-Gangster

Fußball-Gangster

Titel: Fußball-Gangster
Autoren: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer
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arbeitete fieberhaft in seinem Kopf. Aber im Moment sah er keine Chance, an das Material zu kommen. Unterwegs plauderte Randolphe von den Schwierigkeiten im Vorfeld des Gesprächs mit Carl Lewis. Bob hörte nur mit einem halben Ohr zu. Im Vorübergehen fiel sein Blick in einen Waschraum und in diesem Augenblick hatte Bob einen ganz einfachen Einfall. Wenn Randolphe tatsächlich wegen Lewis in Eile war, würde er nicht warten, bis sein Besucher von einem gewissen Örtchen zurückkommen würde.
    »Mr Randolphe«, sagte er so herzlich wie möglich und blieb stehen, »es tut mir Leid, aber – ich – äh – ich müsste noch –« Er blinzelte ihn an.
    »Selbstverständlich.« Randolphe deutete zum Ende des Flurs. »Dort hinten. Ich verabschiede mich dann hier. Nachher fahren Sie mit dem Aufzug bis zur Ebene eins und stehen dann direkt vor dem Ausgang.«
    Bob reichte dem Sportchef die Hand. »Wir hören voneinander.« Er marschierte den Flur hinunter und schlüpfte ins WC. Dann wartete er eine Viertelminute. Jetzt durfte er keinen Fehler machen. Vorsichtig streckte er den Kopf durch die Tür. Niemand war zu sehen.
    Er ging denselben Weg zurück, auf dem er mit Randolphe gekommen war. Viele Büros standen leer. Die einen arbeiten im Studio, kombinierte Bob, die nächsten sind in der Snackbar und wieder andere wollen beim Empfangskomitee für den Weltstar Carl Lewis dabei sein. »Mir kann’s recht sein«, murmelte Bob. Er hatte den Vorraum zu Randolphes Büro erreicht und blickte sich rasch um. Hinter dem Schreibtisch standen zwei halbhohe Aktenschränke. Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche. Alle Fächer waren beschriftet. Fünf ließen sich öffnen, das sechste war verschlossen. Es trug die Aufschrift ›Korrespondenz‹.
    In Sekundenschnelle überflog er, was in den anderen fünf Fächern war. Archivmaterial, Programm-Ablaufpläne, Manuskripte verschiedener Beiträge – nichts, was er gebrauchen konnte. Nachdenklich sah er zu der gepolsterten Tür, die zu Randolphes Zimmer führte. An die blaue Aktenmappe komme ich nicht heran, dachte er, aber vielleicht findet sich sonst etwas Interessantes. Er drückte die Klinke mit dem Taschentuch herunter – und im selben Augenblick hörte er plötzlich näher kommende Frauenstimmen. Er schlüpfte in das Büro und ließ die Tür einen Spaltbreit offen.
    »… gemeinsam Abendessen«, sagte eine Stimme. »Gern«, antwortete die andere. Sie gehörte eindeutig Randolphes Sekretärin. Bob spürte, wie sich unter dem aufgeklebten Schnauzbart Schweißperlen ansammelten. Irritiert sah er zuerst zu Randolphes Schreibtisch und dann wieder zur Tür. Unbemerkt würde er hier nicht mehr herauskommen.
    »Außer …«, flüsterte er und kratzte sich am Kopf, »… außer mit einem riskanten Bluff.« Entschlossen wandte er sich zum Schreibtisch und stellte das Telefon um. Bestimmt hatte die Sekretärin noch nicht bemerkt, dass Randolphe die Gespräche zu ihr umgeleitet hatte. Er nahm sein Taschentuch, um Fingerabdrücke zu vermeiden, hob den Hörer ab, legte ihn auf den Schreibtisch und wählte einige Ziffern. Die Sekretärin sollte glauben, dass ihr Boss telefonierte.
    Bob wischte sich den Schweiß von der Stirn. Erschrocken starrte er auf das Taschentuch, das jetzt Flecken vom Make-up trug. Vergeblich sah er sich nach einem Spiegel um. Mit einem Finger rieb er über die Stirn und hoffte, dass die verbleibende Farbe wieder gleichmäßig verteilt war.
    Dann ging er auf die Tür zu, zögerte kurz und ging ins Vorzimmer. »Mr Randolphe braucht die ›Smell-Korrespondenz‹«, sagte er mit fester Stimme.
    Die Sekretärin sah ihn erstaunt an. Komm schon, forderte Bob sie im Geist auf, wundere dich nicht, sondern tu, was ich dir sage.
    »Die gesamte?«
    Die Rückfrage brachte Bob aus dem Konzept. Hinter seinen Schläfen hämmerte es. »Die gesamte?«, rief er in Randolphes leeres Büro hinein. Dann machte er ein paar Schritte zurück, um aus dem Blickfeld der Sekretärin zu verschwinden. Er ließ fünf Sekunden verstreichen, dann tauchte er wieder auf.
    »Nur die mit Mike Hammer«, hörte er sich sagen. Ihm war schwindlig. Aber er besaß noch Geistesgegenwart genug, um Randolphes Vorzimmerdame einen vertrauenerweckenden Augenaufschlag zu widmen.
    Sie nahm wortlos einen Schlüssel aus ihrer Jackentasche, stand auf und öffnete das sechste Fach. »Geben Sie’s ihm?«
    »Bin schon dabei«, antwortete Bob, griff nach dem grauen Aktendeckel und verschwand in Randolphes Büro. Er zog wieder das
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