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In Liebe und Tod

In Liebe und Tod

Titel: In Liebe und Tod
Autoren: J. D. Robb
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    Die Anforderungen, die die Freundschaft an die Menschen stellte, waren manchmal mörderisch. Wenn man erst in dem verschlungenen Labyrinth gefangen war, konnte man jederzeit von einem Freund gebeten werden, ihm zuliebe ärgerliche, lästige oder sogar richtiggehend grauenhafte Taten zu begehen.
    Für Eve Dallas war die allerschlimmste Forderung, die ein sogenannter Freund an sie stellen konnte, einen stundenlangen Geburtsvorbereitungskurs halbwegs würdevoll zu überstehen.
    Das Blut gefror in ihren Adern angesichts des Angriffes auf alle ihre Sinne, dem sie hilflos ausgeliefert war.
    Sie war Polizistin, jagte seit elf Jahren Mörder, schützte und verteidigte die harten, gnadenlosen Straßen von New York. Es gab kaum etwas, was sie noch nicht gesehen, berührt, gerochen oder durchwatet hatte. Da die Menschen immer wieder neue, einfallsreiche, widerliche Möglichkeiten fanden, ihre Mitmenschen zu töten, wusste sie genau, was für unendlichen Qualen der menschliche Körper manchmal ausgeliefert war.
    Doch selbst der blutigste, brutalste Mord erschien ihr völlig harmlos im Vergleich zu dem, was bei einer Geburt geschah.
    Wie diese Frauen, deren Leiber von den Wesen, die in ihnen reiften, grässlich deformiert und aufgequollen waren, derart gut gelaunt und geradezu gelassen der Sache entgegenblicken konnten, die in absehbarer Zeit passieren würde, konnte sie beim besten Willen nicht verstehen.
    Doch ihre älteste und beste Freundin Mavis Freestone, deren kleiner, elfengleicher Körper hinter ihrem dicken Bauch kaum noch zu sehen war, strahlte wie ein Honigkuchenpferd, als sie auf die Livebilder einer Geburt auf dem großen Bildschirm sah. Und sie war nicht die Einzige, die derart dümmlich grinste. Auch sämtliche anderen Frauen hatten diesen ehrfürchtig verzückten Blick.
    Vielleicht schalteten während der Schwangerschaft ja bestimmte Teile des Gehirns ganz einfach ab.
    Eve selbst fühlte sich nicht ganz wohl. Als sie einen Blick auf ihren Gatten warf, zeigte ihr der Ausdruck seines von Engeln geküssten Gesichts, dass es ihm nicht besser ging. Was eindeutig ein großes Plus der Ehe war. Sie konnte ihren Mann nicht nur in ihre ganz privaten Albträume mit einbeziehen, sondern ihn auch zwingen, dass er neben ihr auf dem verschlungenen Pfad der Freundschaft ging.
    Eve ließ die Bilder auf dem Bildschirm vor ihrem Blick verschwimmen. Zehnmal lieber hätte sie sich irgendeine Aufnahme von einem Tatort angesehen - den Schauplatz eines Massenmords oder irgendein verstümmeltes Geschöpf mit abgetrennten Gliedern - als die Genitalien einer Frau, die gerade in den Wehen lag und die darauf wartete, dass sich ein Kopf aus ihrem Körper schob. Roarke hatte Horrorfilme in seiner Sammlung, die nicht so schlimm waren wie das, was sie hier sah. Sie hörte, dass Mavis mit dem zukünftigen Vater Leonardo flüsterte, verdrängte aber auch das.
    'Wann, lieber Gott, wann ist es endlich vorbei?
    In Ordnung, dachte sie in dem Bemühen, sich ein wenig abzulenken, das Geburtszentrum war wirklich beeindruckend. Es wirkte wie eine Kathedrale der Empfängnis, der Schwangerschaft und der Geburt. Mavis’ Versuch, ihr jeden Raum im ganzen Haus zu zeigen, hatte sie mit dem Vorwand abgewehrt, sie hätte noch zu viel zu tun.
    Manchmal diente eine gut platzierte kleine Lüge dem Erhalt der Freundschaft und der geistigen Gesundheit, dachte sie.
    Der Schulungsbereich genügte ihr vollkommen. Sie hatte eine Vorlesung sowie mehrere Demonstrationen, die sie noch jahrzehntelang in ihren Träumen verfolgen würden, ausgehalten und als Teil von Mavis’ Coaching-Team bei einer simulierten Geburt mit dem Gebärdroiden und einem kreischenden Droidensäugling assistiert.
    Und jetzt sah sie sich auch noch dieses grauenhafte Video an.
    Denk nicht darüber nach, warnte sie sich eindringlich und wandte sich erneut dem Studium des Raumes zu.
    Pastellfarbene Wände waren mit Aufnahmen von Babys oder schwangeren Frauen in verschiedenen Phasen der Glückseligkeit behängt. Sie waren ausnahmslos bildhübsch und wirkten vollkommen verzückt. Jede Menge frischer Blumen und prachtvoller grüner Pflanzen waren künstlerisch im Raum verteilt. Die drei flotten Trainerinnen hielten nicht nur Vorträge, demonstrierten irgendwelche Techniken und beantworteten Fragen, sondern reichten auch noch pausenlos gesunde Erfrischungen herum. Es gab bequeme Stühle, die anscheinend extra zu dem Zweck entworfen worden waren, den Frauen zu ermöglichen, trotz der prallen Bäuche
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